Kurz:

Eine schrecklich nette Familie.

Lang:

Kennst du diese Filme? Spring Breakers, Enemy, Under the Skin, Ex Machina, Green Room, The LobsterSwiss Army Man, It Comes at Night, Moonlight, The Witch?

Wenn keiner dieser Titel in deiner Bestenliste der letzten Jahre auftaucht, bist du entweder A) eine Filmbanause oder B), du lebst mit deinen Blockbuster-Freunden in einer Galaxie weit weit entfernt. (Just kidding. Du liest unseren Review, also bist du mit Sicherheit ein ganz dufter Mensch!) Das Filmstudio A24, welches alle diese Titel ins Kino brachte, hat sich auch die Rechte für „Hereditary“ gesichert und dabei zum wiederholten Male ein verdammt gutes Gespür gezeigt, wenn es darum geht, einzigartige Filme ins Rampenlicht zu stellen.

Es würde jedenfalls überraschen, wenn das Erstlingswerk Ari Asters nicht mit Nominationen und Auszeichnungen überschüttet würde. In einer gerechten Welt muss Hauptdarstellerin Toni Collette für ihre mutige, kompromisslos dunkle Performance, nächstes Frühjahr den Oscar in die Höhe stemmen. So oder so, eines ist sicher, der Film wird die Karriere Ari Asters in neue Sphären katapultieren. Zurecht, denn das Handwerk des erst 30-jährigen Amerikaners scheint genauso übernatürlich, wie sein Film.

„Hereditary“ erzählt die Geschichte der Familie Graham. Die Mutter Annie (Toni Collette) lebt mit ihrem Mann Steve (Gabriel Byrne) und ihren beiden Kiddies Peter (Alex Wolff) und Charlie (Milly Shapiro) in einem abgeschiedenen Waldhaus. (Tja, anscheinend drang es nicht bis zu Grahams durch: Waldhütten sind auch hier nicht besonders gut für die Gesundheit.) Als dann Annies herrische Mutter ins Gras beisst und kurz darauf deren Grab geschändet wird, nimmt das beschauliche Familienleben einen abrupten U-Turn in Richtung Hölle. (Mehr wollen und werden wir nicht erzählen. Am besten, du liest keine weiteren Reviews, schaust dir keine Trailer an und begibst dich schnurstracks auf die Suche, nach der nächsten Möglichkeit, diesen Film auf Grossleinwand reinzuziehen.)

Seit ein paar Jahren erleben Horrorfilme eine kleine Renaissance. Atmosphärisch dicht inszenierte, mit unheilvollem Soundtrack gespickte Filme, wie „The Conjuring“, „It Follows“ oder „The Witch“ schafften es, das Genre wieder zu beleben. „Hereditary“ ist der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung.

Der Streifen erfindet das Rad nicht neu, macht es aber runder. Ohne in Splatter-Gore abzudriften oder auf plumpe Jump-Scares zu setzen, lädt Regisseur/Drehbuchautor Aster die Zuschauer auf eine stellenweise perfide, erschreckende und doch überraschend emotionale Tour-de-Force ein. Besonders letzter Punkt kann nicht positiv genug ausgelobt werden. Dank dem langsamen Spannungsaufbau kann sich jeder Charakter entwickeln. Komplett alle Schauspieler schaffen es, dass ihre Figuren interessant werden und auch bleiben. Der Zuschauer entwickelt Empathie für die ganze Familie Graham. Umso resoluter, wenn dann Aster zu seinen kompromisslosen Nadelstichen in Herz, Aug und Ohr ansetzt. (Und keine Sorge liebe Freunde der sprühenden Blutfontäne, Aster spart nicht an Einsatz des Lebenssaftes, er weiss aber, wo es sich lohnt, mit ihm rumzuspielen.)

Ja, auch inszenatorisch glänzt der Film. Besonders gelungen die Idee, den Beruf der Figur Collettes in den Film ein zu weben. Annie Graham ist eine gepeinigte Künstlerin, welche ihre Persönlichkeit, mitsamt Sorgen und Ängsten, in einer detailverliebten Miniaturwelt als verstörende Parallelwelt nachstellt. Sozusagen ein neues „Miniatur Wunderland“, getränkt in Zynismus und Depression. Wie Regisseur Aster es schafft, diese statische Welt mit der realen zu verschmelzen, ist technisch brillant und erinnert an die Marionetten in Spike Jones „Being John Malkovich“.

„Hereditary“ setzt sich fest und wirkt auch Tage nach dem Kinobesuch. Und das, trotz seiner ganzen Negativität, auf äusserst positive Art und Weise. Für Film- und Horrorfilm-Conaisseure flutschen die 127 Minuten geschmeidiger durch, als warme Schokolade über Vanille-Glacé läuft. Noch besser, der Film macht weder satt, noch leidet man anschliessend an Überzuckerung.

Fazit:

Believe the hype. „Hereditary“ macht alles richtig. Die Zeit wird es zeigen, gut möglich haben wir in diesem Streifen „The Exorcist“ unserer Generation gefunden.

 

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One thought on “Hereditary (2018)

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