Review:

Kurz:

Eine Danger Zone ohne Grauzonen.

Lang:

Wir schreiben das Jahr 1986. Der vierte Block des Atomkraftwerks in Tschernoybl explodiert, Boris Becker gewinnt Wimbledon, Metallica veröffentlichen „Master of Puppets“ und Tom Cruise hebt zu einer beispiellosen Filmkarriere ab. Bevor er weder Tod noch Teufel fürchtete, war Mr Scientology bis auf seine Lead-Rolle in „Legend“ ein noch unbeschriebenes Blatt, was sich mit „Top Gun“ schlagartig änderte.

Die Story von Top Gun kennt jedes Kind. America = good, Sowjetunion = bad. Doch anstelle einen weiteren Ivan Drago ins Feld zu führen, bleiben die Bösewichte in diesem Streifen bis zum Schluss gesichtslos hinter Pilotenmasken versteckt. Stattdessen fokussierte sich Tony Scott, der 2012 verstorbene Bruder von Ridley Scott, in seiner Regiearbeit auf den Hahnenkampf zweier, aus dem heutigen Blickwinkel verdammt unsympathischen Alpha-Tiere.

Ring frei für Maverick und Iceman. Cruises Maverick würde heute zu 100%iger Sicherheit mit ADHS diagnostiziert und mit Ritalin ruhig gestellt. Der dauergrinsende, unflätige Zappelphilipp nervt. Seine blasierte, machoide Art und Weise, wie er sich stets in den Mittelpunkt des Geschehens stellen muss, schreit regelrecht danach, ihm den Lineal auf die Finger zu knallen. Vorhang auf für Val Kilmers Iceman. Kilmer, welcher heutzutage primär mit seinem Körpergewicht für Schlagzeilen sorgt, brillierte in „Top Gun“ als dauer-kaugummi-kauender Gegenspieler Mavericks. Wir schätzen es sehr, nimmt sich Ice dem hyperaktiven Narzisst an und weist ihn (mehr oder weniger erfolgreich) in die Schranken. Anyway, wenn wir heute ein Team wählen müssen, wir wären definitiv Team Iceman! Oder vielleicht auch Team Goose? Die Szenen, in welchen sich Anthony Edwards, als dramatischer Ankerpunkt, die Rübe anschlägt und die darauf folgende pathetisch, heroisch und patriotisch inszenierte Let-Goose-Go-Szene, bleiben auch nach nur einmaligem Top-Gun-Gucken hängen. Und dann wäre dann noch Charlie. Team Charlie ist das schwächste Team im Glied. Kein Wunder, 1986 dominierten Männer und Kokain und kokainschnupfende Männer das Geschehen Hollywoods. Obwohl Kelly McGillis anfangs die thoughe Ausbildnerin geben darf, beschränkt sich ihre Rolle anschliessend darauf, an Cruises Rücken zu kleben. Immerhin, sie hat die Haare schön.

Doch „Top Gun“ bietet aber viel mehr als eigenwillige Charakterköpfe und Föhnfrisuren. In den 80ern war die liebe Musik noch mehr als ein austauschbares Wegwerfprodukt, Songs wurden exklusiv für Soundtracks geschrieben und verdammt prominent in die Filme eingebunden. Schliesslich verdiente man mit Soundtracks in den 80ers noch sein gutes Geld. „Top Gun“ ist der Blueprint der 80er-Filmmusik. Kenny Loggins‘ “Danger Zone”, Cheap Tricks‘ “Mighty Winds” oder Berlins‘ mit dem Oscar ausgezeichneten “Take my Breath Away“, 80er-Herz was willst du mehr? Vielleicht noch ein ikonisches Film-Theme? Harold Faltenmeyers-“Top Gun Theme” lässt auch heute noch Hühnerhaut spriessen. Unten klicken, aufstehen und Hand aufs Herz drücken. Los!

In einem Film, in welchem die Frauenquote praktisch komplett ignoriert wurde, OK, mit Meg Ryan schaut wenigstens noch eine Frau ums Eck, müssen die Männer sich halt am eigenen Geschlecht austoben. „Top Gun“ gehört heute zu einem der wohl unfreiwillig schwulsten Action-Filme in der Kinogeschichte. (Ein grandioser Bericht dazu, findest du hier: „How Did Top Gun Become So Gay?“.) Es ist auch heute herrlich befremdend dabei zuzusehen, wie beispielsweise in der unsterblichen Beachvolleyball-Szene, in Öl gebadete Jungs in ultraengen Jeans-Shorts durch den Sand stolzieren und sich gegenseitig abfeiern. Stilecht zum Song ‚Playing With the Boys‘ natürlich.

Nein! „Top Gun“ ist kein „guter“ Film im herkömmlichen Sinne. Hier werden primär meisterhaft angefertigte Werbeanzeigen auf die Zuschauer losgelassen. (Wer wollte sich schon nicht, dank den in kräftigem Abendrot getauchten Bildkompositionen, einen F-5 Tiger II oder einen eigenen Flugzeugträger kaufen?) Der Streifen ist zu 100% Schein und zu 5% Sein, die Charaktere sind allesamt eindimensionale Dumpfbacken und ihre Handlungen nicht nachvollziehbar. Zudem ist das Hohelied auf die militärische Gemeinschaft, in welcher die U.S. Air Force jungen, natürlich auserlesen hübschen Menschen nebst dem Aufstieg auch ein exorbitant hohes Maß an Abenteuerlichkeit bietet, in seiner Plumpheit kaum zu überbieten. Grauzonen finden sich hier keine. Selbes gilt auch für die Qualität des Streifens: die guten Szenen sind sehr gut und seine schlechten Szenen unbarmherzig schlecht. Und genau diese Ambivalenz macht den Reiz Top Guns aus. Wir finden, der Film gehört auch über 30 Jahre nach seinem ersten Rundflug regelmässig abgefeiert – und ausgelacht.

Fazit:

 „Top Gun“ ist einer jener Filme, welche mit einer Kiste Bier und einem Rudel Freunden abgefeiert werden kann. Hirn auf Auto-Pilot schalten und take off. Einfach bitte das Shirt anbehalten, Jungs!

 

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