Zu Ehren der #metoo Wochen stellen wir in unserem aktuellen Threesome drei besondere Filme über besondere Frauen ins Zentrum und prüfen sie auf ihre Oscar-Tauglichkeit. Mit unterschiedlichen Resultaten.
Lady Bird (2017)
Greta Gerwig ist primär als Schauspielerin bekannt. So glänzte sie 2012 in ihrer, mit einer Golden-Globe-Nomination honorierten Hauptrolle in „Frances Ha“ und neulich überzeugte sie in „20th Century Woman“ an der Seite Annette Benings. Für „Lady Bird“ pflanzte sie sich zuerst auf den Bürostuhl um das Drehbuch zu verfassen, um anschliessend auf den Regiestuhl zu wechseln und die Crew rund um Saoirse Ronan und Laurie Metcalf durch ihr Regie-Debüt zu lenken. Soweit so… „na und?“. Wenn dann aber die (umstrittene) Plattform „Rotten Tomatoes“ den Streifen als die am besten rezensierte Komödie 2017 auslobt und „Lady Bird“ an den Golden Globes die Awards für die beste Hauptdarstellerin und die beste Komödie abräumt, und damit in beiden Kategorien „I, Tonya“ in die Schranken weist, dann werden auch wir hellhörig. Können 99% auf Rottentomatoes lügen? Jein. „Lady Bird“ ist beileibe kein schlechter Film, doch er ist höchst durchschnittlich. Ein Coming-Out-Of-Age-Drama ab dem Reissbrett: dysfunktionale Familie: check; Teenie-Rebellion: check; sexuelle Orientierungslosigkeit: check; pessimistische Zukunftsperspektiven: check; Best-Friends-Überwürfe: check; und so weiter und so fort. Die Harmonie, oder eben Disharmonie, zwischen Mutter Marion (Metclaf) und Tochter Lady Bird (Ronan) gibt dem Streifen seine Daseinsberechtigung, aber sonst… ne. Visuell kommt hier nix neues ums Eck, der Soundtrack ist lieblos, die Nebendarsteller blass, ja Timothée Chalamet wir schauen dich an. Das gab es alles schon mal. In besser. (Wie wär’s mit „The Spectacular Now“, „La vie d’Adèle“ oder dem eingangs erwähnten „Frances Ha“?). „Lady Bird“ strotzt vor Frauenpower, was ihm im momentanen politischen Umfeld auch zum Oscar-Segen verhelfen könnte. Wäre aber unverdient.
I, Tonya (2017)
Mit diesem Film werden die feuchten Träume tausender Comic-Fans war, denn hier prügeln sich Winter Soldier und Harley Quinn. DC und Marvel haben aber glücklicherweise mit „I, Tonya“ nichts am Hut und von Superhelden fehlt jede Spur. Im Gegenteil, restlos alle Figuren sind verruchte, menschliche Fracks. Eine der Stärken des Streifens! „I, Tonya“ erzählt die Geschichte von Tony Harding, bekannt als erste Eiskunstläuferin, welche einen dreifachen Axel stand, noch bekannter als „Eishexe“. Diesen unrühmlichen Titel erlangte Harding 1994, als ihrer Konkurrentin Nancy Kerrigan mit einer Eisenstange die Kniekehle zertrümmert wurde. Harding war offensichtlich involviert, aber wie? War ihr schlagwütiger Ehemann (Sebastian Stan) der Drahtzieher oder war es mehr eine Verkettung unglücklicher Kommunikationsprobleme? „I, Tonya“ legt den Fokus aber nicht nur auf das Attentat, sondern auf Harding selbst, welche ungeschönt als Redneck-Schlampe mit grenzenlosem Ehrgeiz porträtiert wird. Charakterzüge, welche auf die skrupellosen Erziehungsmethoden ihrer Mutter (Allison Janney in bestem „Drop-Dead-Gorgeous“-Modus) zurück zu führen sind. Wer jetzt aber ein filmisches Drama erwartet, wird enttäuscht. Im Stile eines Heist-Movies nimmt „I, Tonya“ ab der ersten Einstellung Fahrt auf und drosselt das Tempo bis zur letzten Einstellung kaum. Regisseur Craig Gillespie („Lars and the Real Girl“) dirigiert die Schauspieler zu Höchstleistungen, allen voran Margot Robbie. Die Australierin lieferte mit ihrer schauspielerischen Tour-De-Force die beste Performance des Jahres ab. Sie spielt sogar Frances McDormand an die Wand, von Saoirse Ronan ganz zu schweigen. Da aber „I, Tonya“ ein vor Zynismus strotzender Bastard eines Films ist, mit einem Amerikanischen Feinbild im Zentrum, ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Film plötzlich bei den Oscars den Vorzug vor „Lady Bird“ und „Three Billboards Outside Ebbing Missouri“ erhält. Schade, denn „I, Tonya“ ist von A bis Z unterhaltsam, bissig, originell, bietet visuellen Eye-Candy und strotzt nur so vor inszenatorisch grandiosen Einfällen. Ein Highlight.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017)
Martin McDonagh ist uns wegen „7 Psychos“ und vor allem „In Bruges“ bestens bekannt. So überraschte es kaum, dass der Trailer zu seinem aktuellen Schmankerl „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ „more-of-the-same“ suggerierte. Doch der Film überrascht mit unerwartet feinfühligen Noten und ist weit mehr Drama als Komödie. Klar sorgt auch der neue Streifen des Briten immer wieder für breites Grinsen auf den Gesichtern der Zuschauer, doch sind es Themen wie Leid, Mitgefühl und Busse, die nachhaltig in Erinnerung bleiben. Die feinfühlige Geschichte glänzt durch ein Schauspieler-Ensemble, dass zusammen zur Bestform aufspielt. Frances McDormand, Sam Rockwell und Woody Harrelson gehören alle mit Lob überschüttet, denn sie heben mit ihren drei erstaunlich rohen Darbietungen den Film aus der Masse der aktuellen Kinostarts. Natürlich hauptsächlich der Verdienst McDonaghs, welcher mit seinem mutigen Drehbuch alle Charaktere von Schwarz-Weiss-Einteilung befreit und so die Grenzen zwischen Gut und Böse perfid auflöst. Darf ein Unsympath sympathisch sein? Handeln die Guten wirklich im Recht? Dank dem sonst im Marvel-Kosmos situierten Cinematographer Ben Davis brennen sich on top auch noch brutal wuchtige Bilder ins Gedächtnis der Zuschauer. Zurecht war „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ der große Gewinner der Golden Globes. Die Oscars können kommen. Und das trotz der wohl zornigsten Hauptfigur der Filmgeschichte.