Kurz:
History repeats itself. Does it?
Lang:
„Predator“, „Terminator“, „Top Gun“, „Gremlins“, „Robocop“, „Teen Wolf“, … Wenn ich meine Lieblingsfilme aus den 80ern aufzählen soll, fällt „The Karate Kid“ meist aus meinem Gedankenraster. Stimmt, da war doch mal noch was mit einem Kranich-Tritt, einem Mr. Miyagi und seiner Bonsai-Pflege, aber sonst?
Irgendwie lasch und harmlos, so blieb mir jedenfalls John G. Avildsen (Rocky) Karate-Streifen in Erinnerung. Welchen Teufel muss also Youtube Red in die Rübe getreten haben, eine zehnteilige Serie als Fortsetzung zu diesem 80er-Streifen einzukaufen? Welcher Beelzebub es auch war, ich werde ihn ab sofort täglich in meinen imaginären Gebetszirkel einschliessen.
„Cobra Kai“ nennt sich die TV-Serie, welche nahtlos an „The Karate Kid“ aus 1984 anknüpft (und dabei Teil 2 und Teil 3 komplett ignoriert).
34 Jahre sind vergangen, seit Danielson (Ralph Macchio) mit dem legendären Einbeinhupfer seinen Widersacher Johnny (William Zabka) auf die Matte schickte. Ein Tritt, welcher den armen Johnny nachhaltig aus dem … ähmm … Tritt brachte. Mit Gelegenheitsjobs versucht er sich mehr schlecht als recht über Wasser zu halten, ertränkt dafür seine destruktive Melancholie in literweise Bier. Meist knallt er sich dermassen zu, dass er sabbernd auf seinem verklebten Appartementteppich aufwacht, nur um subito zu seinem lauwarmgewordenen Büchsenfreund zu greifen. Eine gescheiterte Ehe und einen abgeschriebenen Sohn, runden Johnnys Freuden-Portfolio ab. Jup, dem ehemaligen Top-Shot aus dem Cobra-Kai-Dojo geht’s nicht wirklich toll.
Auf der anderen Seite des Gefühlsspektrums steht Daniel, mittlerweile sogar mit beiden Füssen am Boden. Als erfolgreichster Autohändler des Valleys und Besitzer mehrerer Läden lebt mit seiner hübschen Familie in einem hübschen Vorzeigehäuschen mit hübschem Pool und geniesst edelsten Kaffee, während er Streicheleinheiten seiner hübschen Frau absorbiert. Ja, ihm scheint die Sonne aus dem Arsch. Doch ebendieser soll schon bald versohlt werden.
Wie es Johnny und Daniel fertigbringen im gleichen Mini-Kaff zu leben und sich erst nach über 30 Jahren wieder über den Weg zu laufen, bleibt eines der grossen Geheimnisse von „Cobra Kai“. Auch ist die Serie im Kern nicht wirklich klischeebefreit, doch darüber sehe ich gerne hinweg. Zu originell der Ansatz, die beiden Parallelwelten nach mehr als drei Jahrzehnten wieder aufeinander prallen zu lassen und dabei die Grenze zwischen Gut und Böse kräftig durchzurütteln. War in „The Karate Kid“ das Cobra-Kai-Dojo sozusagen die Brutstätte des Bösen, kommen die Antagonisten 2018 aus dem Lager der „LaRusso Automobile Company“. Oder etwas doch nicht?
„Cobra Kai“ spielt ähnlich meisterlich mit den Erwartungen der Zuschauer, wie Mr. Myagi seine Bonsai-Bäumchen pflegt. Eben noch hegen wir für den vermeintlich Bösen Empathie, während der Held vor unseren Augen zum blasierten Egomanen mutiert, und kurze Zeit später müssen wir die Sympathiepunkte trotzdem neu verteilen. Ja, die grosse, und sehr überraschende Stärke von „Cobra Kai“ ist, dass die zehn Folgen à 30 Minuten Wendungen am Laufmeter bieten.
Flankiert von einer Portion Nostalgie, einem sorgfältig ausgewählten 80er-Rock-Soundtrack (Twisted Sister, Poison, Ratt, etc.) und zwei Schauspielern, welche es sichtlich geniessen, mit viel Selbstironie zurück in ihrer ikonischen Rolle zu schlüpfen, ist die Serie nicht weniger als eine kleine Offenbarung. (100% auf Rottentomatoes und 9,1 auf IMDb sprechen für sich.)
Sowohl Zabka als auch Macchio verschwanden zwar nie von der Bildfläche, hielten sich aber mehrheitlich mit Nebenrollen in mittelgrossen TV-Formaten über Wasser. Wir haben es also mit zwei gestandenen Schauspielern zu tun, welche ihren Rollen den nötigen Respekt zollen und den Spagat zwischen Persiflage und Hommage eindrucksvoll meistern.
Fazit:
„Cobra Kai“ macht mächtig Spass. Von der ersten bis zur letzten Minute unterhält die Serie dank unerwartet cleverem Drehbuch, toll gezeichneten Charakteren und einer durchs Band weg sympathischen Umsetzung. Wir freuen uns auf Staffel 2! Heeeeiah!