Kurz

Zeitlose Jane Austen Adaption, die bis heute dank ihrem Einfallsreichtum & ihrer Originalität Kultstatus geniesst.

Lang

«Ich werde eine Heldin schaffen, die keiner ausser mir besonders mögen wird» soll Schriftstellerin Jane Austen über ihre Romanheldin « Emma» gesagt haben. Die junge, reiche und privilegierte Dame führt ein Leben wie aus dem Bilderbuch. In den 600 folgenden Seiten begegnet Emma weder schlimmen Schicksalsschlägen noch fiesen Gegnern. Spannend, humorvoll, lehrreich und amüsant bleibt ihre Geschichte trotzdem.

Gleich verhält es sich mit der wohl besten Jane Austen Adaption aller Zeiten «Clueless». Die 16-jährige Cher Horowitz lebt in Beverly Hills, kommt aus gutem Haus, ist Teil der angesagten High School Clique und verfügt über kein dummes Köpfen, noch unschönes Äusseres. Was kann diesem Mädchen also Kummer bereiten? Die Antwort findet sich im Titel: die eigene Ahnungslosigkeit, sprich sie selbst steht sich mehrheitlich im Wege. Damit wird auch schnell der universelle Story-Charakter von «Emma»/ «Clueless» ersichtlich: Es geht darum, dass wir zuallererst den Kampf mit uns selbst ausfechten müssen, bevor wir uns wirklich weiterentwickeln können.

Ganz schön deep für eine alberne High School Komödie? Liegt daran, dass «Clueless» vielmehr zu bieten hat, als der erste Eindruck vermuten lässt. Drehbuchautorin & Regisseurin Amy Heckerling («Kuck mal wer da spricht») schuf ein Werk für die Ewigkeit, weil sie verstand, dass «Emma» nicht arrogant und böswillig ist, sondern, eben «ahnungslos». Lustigerweise betont Journalist Jan Wilm in einer 2020 erschienen «Emma» Rezession in der NZZ genau diese Ahnungslosigkeit, ohne leider auch nur an einer Stelle «Clueless» zu nennen, welches als erste Adaption diesen kleinen, aber feinen Unterschied in Emmas Charakter postulierte.

Der zweite entscheidende Faktor für den Kultstatus von «Clueless» findet sich in der unermüdlichen Kreativität seiner Filmemacherin: Amy Heckerling war es, die Chers berühmte «Kleider-App» erfand, mit der Cher sämtliche Outfits am Computer ausprobieren kann und deren Algorithmus sie vor «Outfit-Missmatches» schützt. Der erste H&M Online Shop war davon inspiriert. Und unsere Gesellschaft stützt sich 26 Jahre nach «Clueless» immer mehr auf Algorithmen bei Entscheidungsfindungen. So gesehen kann «Clueless» als Sci-Fi Film eingestuft werden. Mit einer der gelungensten «2001: A Space Odissey» Referenzen der Neuzeit.

Viele andere «Clueless» Ideen sind in unserem Alltag angelangt: So trägt Cher im Sportunterricht ein Handy-Case, welches sie dank Riemen als eine Art Handtasche trägt. Die Handy-Handtasche ist heute stärker manifestiert denn je. Generell ist der Einfluss von «Clueless» heute immer noch stark spürbar. Sei es in Musik Videos (wie bei Iggy Azaleas «Fancy»), TV Serien («Killing Eve»), Filmen («Promising Young Woman») oder zuletzt sogar Dissertationen (Glasgow University law student pens 10,000 word dissertation on refugee status inspired by cult 90s film Clueless | GlasgowWorld). Neben dem in der Dissertation erwähnten Vortrag, gibt es einen weiteren mit Kultstatus: Kiffer Travis Birkenstock nützt seine neuste Verspätung, um in einer Art Oscar-Rede all jenen Menschen zu danken, ohne die er nie zu spät im Unterricht erscheinen würde: dem Schulbusfahrer, der MacDonalds Verkäuferin und seinen Eltern. Es sind Momente wie diese, die «Clueless» zu einem zeitlosen Klassiker machen.

Eine andere schöne Spezifika von Heckerling ist ihre Liebe zu Literatur, welche sie für die Charakterbeschreibung ihrer Figuren nützt. Chers Schwarm Christian ist ein Fan der Beatnik-Literatur (liest Burroughs «Junky») und von Oscar Wilde. Chers Stiefbruder Josh zelebriert seine Intellektualität mit Friedrich Nietzsche.

Weitere Punkte, welche «Clueless» Mitte der 90er Jahre progressiv machten, war der Bruch mit Stereotypen. Während leider bis heute viele Filme People of Color für die Besetzung von zwielichtigen, unterprivilegierten Figuren präsentieren, kürte Heckering Donald Faison (war zu Beginn der Dreharbeiten von «Scrubs» als «der Typ aus Clueless bekannt») und Stacey Dash zum poshen High School Königspaar. Eine weitere Figur bricht mit der Darstellung von Homosexualität. Statt lediglich, schrill, übertrieben, tuntenhaft gezeichnet zu sein und die Rolle vom besten Schwulen Freund einzunehmen, erlaubte Heckerling es der Figur auf eigenen Beinen zu stehen und durch mehr als der sexuellen Orientierung zu punkten.

Gewisse andere «Emma» Figuren wie bspw. Jane Fairfax strich Heckerling komplett. Sie sei es leid gewesen Frauen im Konkurrenzkampf miteinander abzubilden. Also schrieb sie wo nötig die Geschichte um, blieb aber vom Sarkasmus, Zynismus und Liebe zu den Charakteren Jane Austen treu. Mehr noch, sie vermochte es die Komplexität von Frauenfreundschaften aufrichtig rüberzubringen. Inklusive all den hässlichen Dingen, die wir uns an den Kopf werfen («You’re a virgin who can’t drive»). Deshalb ist es keine Überraschung besteht Clueless in den ersten 45 Minuten den Bechdel Test mit Bestnote.

«Clueless» kann auch als Anti-Aschenputtel angesehen werden. Während in anderen Geschichten das Mädchen zuerst ein äusseres Make-Over (Pretty in Pink, Eine wie Keine) über sich ergehen muss, entscheidet Cher sich genau für das Gegenteil: sie möchte ihrer Seele ein Make-Over geben. Schliesslich findet Cher in der Fürsorge / Unterstützung zu anderen zu sich selbst. Eine erfrischende Abwechslung zur «Damsel in Distress» zu der die meisten weiblichen Figuren verdonnert werden, wenn sie nicht grad eine mörderische Überfrau ala Beatrix Kiddo in «Kill Bill» repräsentieren.

Seit Cher aufgrund des frühen Todes ihrer Mutter Verantwortung übernahm, entwickelte sie eine Art Kontrollwahn, welcher dazu führte, dass sie gerne die Leben ihrer Mitmenschen umher manipuliert. Bis sie selbst deren negativen Auswirkungen abbekommt und ihr Handeln in Frage stellt.

Fazit

Cher ist nicht perfekt, macht Fehler, besitzt blinde Flecken, die machen sie aber umso sympathischer. Amy Heckerling korrumpierte damit Jane Austens Plan mit Bravour. Aber warum ist «Clueless» eine gute Literaturadaption? Was macht eine gute Adaption aus? Die Frage beantwortet Heckerling gekonnt subtil selbst: Als Hannah, Josh’s Studienkollegin, Shakespeares «dir selbst bleibe treu» zitiert, und fälschlicherweise das Zitat Hamlet zuordnet, ist es Cher, die Hannah korrigiert und drauf aufmerksam macht, dass sie sich sehr gut an die «Hamlet» Verfilmung mit Mel Gibson (..»in Strümpfen…») erinnern mag und dass Polonius hinter dem Zitat steckt, nicht Hamlet. Ob Cher wirklich nur dank Mel Gibson das Zitat richtig einordnet, oder aber mit ihrem Image als High School Schülerin kokettiert, wird nicht aufgelöst, sicher ist aber, dass eine gute Adaption genau dies liefern muss: eine korrekte Einordnung der Figuren, ihrer Motive, ihrer Botschaften und deren universellen Bedeutung, egal wie viele Jahrhunderte sie alt sind. Und sie muss die Neugier nach der Literaturvorlage wecken. Drum: viel Spass mit «Emma» 😉

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