Review
Kurz:
Kurze Kurzform: Johnny mag Lisa, Lisa mag Mark und Denny schaut gerne zu.
Lang:
Kurz vor seiner Heirat geht bei Johnny (Tommy Wiseau) alles den Bach ab. Seine Verlobte Lisa betrügt ihn mit seinem besten Freund Mark, der Nachbarsjunge Denny hat ein Drogenproblem und seine Beförderung geht auch flöten. Armer Johnny. Oder doch eher „armer Tommy“?! “The Room” ist eine One-Man-Show. Mittendrin: Tommy Wiseau! Wiseau produzierte den Streifen, verfasste das Drehbuch, führte Regie, besetzte die Rollen und gab sich selbst – Ehrensache – die Hauptrolle von Johnny. Er macht alles, kann aber nichts. Trotzdem: sein Einsatz für „The Room“ war gigantisch und verdient Anerkennung. Auch finanziell begab sich der Tausendsassa aufs Glatteis. Er bezahlte restlos alles aus eigener Tasche. Studio-Miete, Kamera-Set, Gagen der Schauspieler, es ging sogar soweit, dass Wiseau für Promo-Zwecke riesige Billboards in Hollywood mietete, auf welchen er seine Visage grossflächig zur Schau stellte.
Es ist bis heute nicht geklärt, von wo Wiseau sein millionenschweres Kapital her hatte. Gemäss „The Disaster Artist“, dem Quasi-Making-Of-Buch von Greg Sestero (Mark), dealte Wiseau mit Leder-Jacken (!). Geld hin oder her, kein Dollar der Welt hilft dir weiter, wenn dein IQ tiefer liegt, als jener eines Ziegelsteins ist. Doch nichts und niemand konnte Wiseau von der Realisation seines Passions-Projektes abhalten. Auch nicht sein fehlendes Know-How: da er den Unterschied zwischen Film und Digitalvideo nicht verstand, filmte er mit zwei Kameras gleichzeitig! Trotz Investitionen in Millionenhöhe floppte der Film gigantisch. (Dennoch ist Wiseau bis heute davon überzeugt, ein Meisterwek abgeliefert zu haben!). Doch die Zeiten ändern sich: mittlerweile ist „The Room“ in der Popkultur angekommen.
Der „Citizen Kane“ thront in jedem Bad-Movie-Club auf dem Podest, „The Disaster Artist“ ist ein Bestseller, mit welchem Sestero seit Jahren auf Lesetour geht und mit James Franco 2017 erfolgreich verfilmt wurde und „The Room“-Screenings füllen in den Staaten locker 1000er-Kinosäle. (Bei uns noch nicht ganz, aber wir arbeiten daran.)
Doch was macht „The Room“ so unwiderstehlich? Alles! Das Drehbuch könnte gut aus der Feder des Orakels von Delphi stammen. Die Schauspieler taumeln durch ein dermassen diffuses Script, dass sie sich selbst zusammennehmen müssen, nicht komplett verwirrt in die Kamera zu starren. Besonders schlimm wird es, wenn sie sich mit Mr. Wiseau eine Szene teilen müssen, also eigentlich immer.
Wiseau ist ein Phänomen. Sein „Englisch“ hört sich an, als würde Sylvester Stallone mit dem Mund voller Kartoffeln Brigitte Nielsen parodieren, flankiert von absolut deplatzierter, taktloser Intonation. Der Zuschauer hat das Gefühl, Wiseau sei auf einem (suboptimalen) Drogen-Trip.
„The Room“ ist einzigartig. Fremdscham und Perplexität wechseln sich minütlich ab. Ungläubig staunt der aufmerksame Zuschauer ab der Unverfrorenheit Wiseaus, mitten in den Dreharbeiten einen Darsteller einfach durch einen anderen zu ersetzen. Völlig abstruse, losgelöste Handlungsstränge, der unbändige Drang der männlichen Hauptdarsteller sich gegenseitig Rugbybälle zuzuwerfen, die gerahmten Bilder von Löffeln (!), welche prominent im Wohnzimmer der Hauptfiguren zu sehen sind, die beispiellos gestelzt klingenden Dialoge, das künstlich debile Lachen Johnnys, der triefend kitschige Soundtrack oder der 17-jährige creepy Nachbarsjunge Danny, der aussieht als wäre er 30ig und ein Drogen- UND Sex-Problem hat. In „The Room“ gibt es ständig wieder neue Abnormaliäten zu entdecken. Der Streifen ist auch ein Paradebeispiel, was einem talentfreien Regisseur alles durch die Lappen gehen kann. Wiseau vergisst die Auslichtung, seine Bildaufteilung wirkt vollkommen willkürlich. In den meisten Szenen behindert seine Kamera sogar das Schauspiel. In einer der drei (!) grandios unsexy Sexszenen mit der bemitleidenswerten Juliette Danielle sieht es aus, als penetriere Johnny (Wiseau) Lisas (Danielle) Bauchnabel.
„The Room“ muss gesehen werden, kein Review wird dem Meisterwerk der unfreiwilligen Komik gerecht.
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