Kurz:

James ist Tommy.

Lang:

Um eines vorweg zu nehmen: wir LIEBEN „The Room“. Anfangs 2015 haben wir den „Citizen Kane of Bad Movies“ das erste Mal in Zürich gezeigt, im Dezember 2016 folgte dann die Premiere in Bern. Impressionen dieser beiden BEST-WORST-Nächte findest du hier (Zürich, Bern). Verdientermassen führt Tommy Wiseaus Egomanen-Projekt auch unsere Best-Worst-Liste an. Ach ja, Shirts von „The Room“ haben wir auch im Verkauf. Voilà, soviel zum Kultstreifen von 2003.

2013 veröffentlichte der Wingman Wiseaus, Hauptdarsteller Nummer 2 Greg Sestero, seine literarische Beichte rund um den Dreh. „The Disaster Artist: My Life Inside The Room, the Greatest Bad Movie Ever Made“ war zu mehreren Teilen erstaunlich: erstens waren die Zeilen, welche Sestero zusammen mit Tom Bissell (Autor von Uncharted 4: A Thief’s End (!), Best F(r)iends und The Loneliest Planet) in die Tasten haute, sehr lesefreundlich, die Story spannend, die Hintergrundinfos köstlich und die beiden brachten das schier Unmögliche fertig, den Produzenten, Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller „The Rooms“ nahbar zu machen und ihm dabei eine herzliche Facette zu verleihen. Richtig gelesen, Tommy Wiseau wird in Sesteros Memoiren nicht (nur) als talentlose Dumpfbacke, sondern auch als passionierter Träumer und tragischer Held beschrieben.

Diese unglaubliche Underdog-Story in Buchform fiel keinem geringeren als Hollywood-Posterboy James Franco in die Hände und noch bevor er sich „The Room“ in seiner ganzen masochistischen Herrlichkeit antat, sicherte er sich 2015 die Filmrechte an „The Disaster Artist“. Keine zwei Jahre später gibt jetzt also Franco den Wiseau. Und er gibt ihn verdammt gut. Also gut schlecht. Wie auch immer. Du verstehst.

Mithilfe seiner Allzweckwaffe Seth Rogen, welcher im Streifen den bemitleidenswerten und auch heute noch geschmähten Script-Supervisor/Semi-Regisseur Sandy Schklair spielt, seines Bruders Dave Franco (Greg Sestero) und einer quietschbunt zusammengewürfelten Schar an weiteren Hollywoodgrössen (Sharon StoneMelanie Griffith, Bryan CranstonZac EfronJosh Hutcherson, Jacki Weaver, Alison Brie, Ari Graynor u.v.m.) liefert James Franco als Wiseau die beste Performance seiner Karriere ab. Gekonnt schaukelt Franco am Abgrund des Overacting ohne sich dabei der Lächerlichkeit preis zu geben. Grandios wie es der Hollywood-Beau schafft, komplett in Wiseaus Persona abzutauchen. Körpersprache, Stimme, Gestik – alles absolut perfekt kopiert. Die Award-Season soll ihn mit Nomminationen überschütten. Los! (Ach ja, Regie führte er nebenbei auch noch.) 

Wie schon in Sesteros Buch steht nicht „The Room“ selbst, sondern die Bromance der beiden Hollywood-Neurotiker im Zentrum. Und diese Freundschaft ist erstaunlich berührend. Ja, die Chemie zwischen den Gebrüdern Franco stimmt. Sie ist es dann auch, welche „The Disaster Artist“ vom Start weg bis weit über die Ziellinie trägt.

Auch positiv, Seth Rogen hält sich für Rogen-Verhältnisse erstaunlich zurück. Wer Klamauk à la „Pineapple Express“, „Sausage Party“ oder „This Is The End“ erwartet, wird enttäuscht. Kein Wunder nahm A24 den Film unter seine Fittiche. Die amerikanische Filmproduktionsgesellschaft bewies bereits mit „Moonlight“, „Lady Bird“, „The VVitch“ und „Ex-Machina“ ihr Gespür für grandiose Filmperlen. „The Disaster Artist“ fügt sich nahtlos in diese illustre Reihe ein und zeichnet mit dem Charme eines Indie-Films das vielschichtige Portrait einer Hollywood-Obskurität.

Ob der Film für „The Room“-Unwissende funktioniert, können wir nur mutmassen. Aber oh Boy funktioniert er für „The Room“-Kenner! Ohne in plumpen Fan-Service abzudriften, ist in jeder Szene klar erkennbar, dass die Macher von „The Disaster Artist“ ihr Herz schon lange an „The Room“ verloren haben. Von der Garderobe, über die Settings, die Dialoge, das Design – alles ist punktgenau inszeniert. Beim Abspann werden dann noch Szenen des Originals neben jene des „The Disaster Artists“ gestellt und dieser 1:1-Vergleich ist verdammt eindrücklich. Dieser Show-Off ist dann auch das Sahnehäubchen in einem Film, welcher mitten in die Herzen von uns Room-Jüngern trifft.

Fazit:

Ein James Franco in Bestform liefert eine erstaunlich nuancierte Hommage an den vermeintlich schlechtesten Filmemacher der Geschichte. Verdammt haben wir Lust auf ein drittes Screening! Du auch?

 

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