Kurz:
I hate you! I know!
Lang:
Nein, ich hasse den Film nicht! Im Gegenteil, ich mag ihn sehr. Doch ich muss zugeben, dass ich anfangs ein grosser Skeptiker war. Als Monsieur Ehrenreich den Zuschlag bekam, den jungen Han Solo zu spielen, war ich der erste der schreiend „Das ist nicht mein Han!“ durchs Büro rannte. Auch als die ersten Setbilder und der Teaser meine Augen beglücken wollten, war ich immer noch skeptisch. Ich war fest davon überzeugt, dass es einen Solo-Film über Solo nicht braucht und ich den jungen Han bereits in „A New Hope“ kennenlernen durfte. So schwand denn auch mein Interesse an diesem Standalone-Film aus der Krieg der Sterne-Franchise, bis ich dann im Kino sass und alles anders wurde.
In den ersten Minuten war ich immer noch unsicher. Wird das funktionieren? Kann der Alden das? Werde ich hier gleich wieder schreiend mit „Das ist nicht mein Han!“ das Kino verlassen? Und dann passierte es: Die ganze Angst verflog, die Last auf meinen Schultern verschwand und die Spannung in meinem Gesicht verwandelte sich in ein Lächeln. Doch, der Ehrenreich kann das. Das macht der wirklich ganz ordentlich. Ist akzeptiert. Ich bin bereit für die Vorgeschichte eines Helden, der mich schon seit Kindheit an begleitet.
Das erste Zusammentreffen mit seinem Kumpel Chewie ist intelligent, witzig und auch ergreifend zugleich. Schon nach ein paar Sekunden funktioniert die Chemie zwischen dem Duo. Die beiden schreien und gurgeln sich wunderschöne Dialoge an den Kopf, dass man sich sofort an die alte Trilogie zurückerinnert. Davon hätte ich sogar gerne noch viel mehr gesehen. Denn manchmal geriet mir Chewie oft wieder zu sehr in den Hintergrund. Fast schon wie bei den Sequels hatte ich Angst, dass er nur als grummelnde Nebenfigur agieren durfte. Doch keine Panik, der Wookie bekommt (endlich!) genug Screentime.
Doch dann gibt es im Film auch diese befremdlichen Dinge, die man irgendwie gar nicht sehen möchte. Dass Han zum Beispiel mit einer anderen Frau als mit Prinzessin Leia rummacht, will sich in meinem alten Star Wars-Gedächtnis nicht so recht platzieren. Das macht zwar storytechnisch durchaus Sinn, aber es fühlt sich einfach falsch an. Emilia Clarke als Qi’Ra hat in meinen Augen zudem die Ausstrahlung einer Badezimmerkachel auf Kamino. Austauschbar, blass und langweilig.
Auch dass man bestimmte Gesten und legendäre Sätze des Schmugglers hier frech zitiert, um deutlich zu machen, dass die Filmemacher den Charakter Han verstanden haben, müsste nicht sein. Doch trotz dieser Hommagen darf sich Alden Ehrenreich noch selber entfalten und sein eigenes Ding durchziehen. Schliesslich spielt er hier nicht wirklich den Han, den wir aus der klassischen Trilogie kennen und lieben gelernt haben, sondern eine noch etwas naive Figur, die erst zu diesem liebevollen Schurken wird. Das macht auch Sinn und das muss man als nörgelnder Kritiker und heissblütiger Skeptiker auch einfach tolerieren.
Solo: A Star Wars Story hat übrigens eine ziemlich flache Geschichte. Han muss mit Kumpels ganz schnell ein Objekt von Punkt A nach Punkt B bringen. Fertig. Das geht aber völlig in Ordnung. Denn im Zentrum steht die titelgebende Figur, die auf eine Reise einlädt und aufzeigt, wie er seine bekannten Merkmale (Blaster und Millennium Falke) und Weggefährten (Lando!) um sich schart. Und das macht alles mehr oder weniger auch Sinn, wird glaubhaft verwoben und dargestellt. Dazu braucht es keine dramaturgisch ausgeklügelte Story, wo der Bruder der heimliche Vater seiner Schwester ist.
Dafür besitzt dieser Star Wars-Film einen besonders gut versteckten doppelten Boden. Oder anders ausgedrückt: Wer zwischen den Zeilen liest und aufmerksam den Western im Space-Opera-Kleid verfolgt, wird erkennen, wie verschachtelt alle Standalone-Filme eigentlich sind und welchen (gigantischen) Plan Disney im Hintergrund haben muss.
Fazit:
Solo: A Star Wars Story ist richtig gut geworden. Auch wenn es ein paar dumme Momente gibt, die nicht hätten sein müssen. Es gibt aber auch viele Gänsehautmomente und überraschende Szenen, wo der Star Wars-Fan vor Begeisterung schreien möchte. Alden Ehrenreich hat eine ordentliche Performance abgeliefert und darf sich jetzt erstmals zurücklehnen und ein corellianisches Bier gönnen. Das hat er sich auch verdient.
3 von 5 Krieg der Sterne