Jedes Jahr steht das goldene Männchen vor der Tür und wir treten den Beweis an, dass die Kultmoviegang zwar schlechte Filme abfeiert, unser Herz trotzdem zu gleichen Teilen für cineastische Beauties schlägt. Und da die den elitären Schönheitsidealen entsprechenden Filme sich bekanntlich jeweils Ende Februar in Hollywood gegenseitig den Hintern voll blasen, liessen wir auch dieses Jahr für eine kurze Zeit die Tommy Wiseaus und Neil Breens im Schrank und kümmerten uns liebvoll um die vermeintliche Crème-de-la-Crème.
Da aber unsere Zeit nicht unendlich bemessen ist, haben es wiederum nicht alle Filme geschafft, unser Augenlicht rechtzeitig zu blenden. Dieses Jahr verzichteten wir, aus mehr oder weniger plausiblen Gründen, auf folgende Streifen: „Fences“, „Hidden Figures“ und „Lion“. Im Gegenzug zogen wir uns aber auch Streifen rein, die abseits der „Best-Picture“-Kategorie nominiert wurden.
Hier die persönlich gefärbte Rangliste der diesjährigen Oscar-Anwärter:
Platz 11: Toni Erdmann
Unsympathische Darsteller, dämlicher Plot, quälende Laufzeit. Einer der wohl überbewertesten Filme dieses Jahres. Den ganzen Review gibt’s hier.
Platz 10: Elle
Paul Verhoeven auf Sparflamme. Doch eine Isabelle Huppert off-the-leash und eine grosszügige Portion Zynismus retten den abstrusen Plot. Ganzer Review.
Platz 9: Hacksaw Ridge
Mel Gibson beweist mit „Hacksaw Ridge“ zehn Jahre nach seinem grössenwahnsinnigen Apocalypto erneut, dass er ein feines Händchen hat, wenn es um die Inszenierung von Gemetzel geht. Die Schlachten sind dermassen roh und brutal in Szene gesetzt, dass sogar „Saving Privat Ryan“ einpacken kann. Auch dank des bestechenden Sounddesigns hat der Zuschauer das Gefühl, sich mitten auf dem Schlachtfeld herumzutummeln. Trotzdem bietet „Hacksaw Ridge“ nebst den Gewaltorgien und einem überzeugenden Andrew Garfield wenig bis nichts neues. Ganzer Review.
Platz 8: Captain Fantastic
Viggo Mortensen in einer weiteren Paraderolle. Darf nach Eastern Promises endlich wieder mal seine Eier in die Kamera halten und wird dafür mit einer Oscar-Nomination belohnt. Noch mehr Eier hätten dem netten Film sicherlich noch besser gestanden. Ganzer Review.
Platz 7: Moonlight
Barry Jenkins liefert mit „Moonlight“ sein Bewerbungsschreiben für die ganz grossen Hollywood-Produktionen ab. (Marvel Phase 4 anyone?) Sein Streifen ist jederzeit wunderschön anzusehen und messerscharf geschrieben, doch leider erzählt er zu wenig Neues und die drei Zeitepochen im Leben des Protagonisten flutschen zu wenig ineinander über, als sie eigentlich müssten. Das verbindende Element ist die mutige Performance von Naomie Harris, welche damit sogar den viel zu kurzen Auftritt von Mahershala Ali in den Schatten stellt.
Platz 6: Hell or High Water
„Hell or High Water“ ist ein reduziert gehaltenes Heist-Drama und brilliert auf verschiedenen Ebenen. Erstens wäre da die toll eingefangene, karge, texanische Landschaft, zweitens der melancholische Score von Nick Cave und drittens die durchs Band weg glänzenden schauspielerischen Leistungen von Ben Foster, Chris Pine und Jeff Bridges. Ganzer Review.
Platz 5: Jackie
Aufgrund seiner Machart wird „Jackie“ mit Sicherheit polarisieren. Meckerer werden anmerken, dass der stoische Blick Portmans und die vor Tristesse triefende Endlosmelancholie den Streifen abwerten. Wir haben „Jackie“ den Film erlebt, wie Jackie die Frau hier portraitiert wird: eigenwillig und stark. Ganzer Review.
Platz 4: Manchester by the Sea
Dank der Schreibe von Kenneth Lonergan, „bekannt“ für sein Drehbuch von The Adventures of Rocky & Bullwinkle (!), kriegt Casey Affleck die Chance allen zu zeigen, das er der wahre Anwärter auf den Sad-Affleck-Titel ist. „Manchester by the Sea“ ist starkes Autoren-Kino, welches auch im CV von Ken Loach nicht fehl am Platz gewesen wäre. Die Charakterstudie Afflecks alleine macht den Film sehenswert und erstaunlich nachhaltig.
Platz 3: Arrival
Am 6. Dezember haben wir in unserem Review folgendes geschrieben: „„Arrival“ hat Award-Potential. Nominationen für „Best Actress“, „Best Director“ und „Best Picture“ wären nicht überraschend. Und verdient.“ Tja, knapp vorbei ist auch daneben. Wieso Amy Adams es nicht in auf die Nominationsliste geschafft hat, können wir bis heute nicht nachvollziehen. Trotzdem mögen Arrival nachwievor sehr! Ganzer Review.
Platz 2: La La Land
Endlich mal ein Film, welcher den Hype rechtfertigt! Nachdem uns „Toni Erdmann“ enttäuschte, waren wir als waschechte Musical-Hasser mehr als skeptisch, als wir uns auf die Reise ins La La Land machten. Doch Damien Chazelle liefert einen Film für Musik- und Kinoliebhaber ab, welcher in technisch brillant umgesetzten Settings Ryan Gosling und vor allem eine bezaubernde, grandiose Emma Stone auf bestechendes Niveau tanzen lässt. Auch sind die Paralleln zu seinem tollen Vorgänger „Whiplash“ nicht von der Hand zu weisen: Hier kämpfen Künstler für ihre Kunst. Kompromislos und aufopfernd. Der Musical-Aspekt ist erstaunlicher- und auch glücklicherweise eher dezent gehalten. Ufffff….. da haben wir Schwein gehabt. Wunderschön anzusehen ist auch, wie Chazelle „La La Land“ auf der exakt gleichen Note beendet wie „Whiplash“. (Augenkontakt anyone?)
Platz 1: Nocturnal Animals
Jaja, „Nocturnal Animals“ ist nicht als Best Picture nominiert und weder Tom Ford, Amy Adams noch Jake Gyllenhaal stehen anscheinend in der Gunst der Academy, einzig Michael Shannon hat für seine Rolle als rotzender, sarkastischer Cop (zu Recht) die Chance auf das Goldmännchen. Trotzdem ist der sperrige Streifen aus unserer Sicht besser als alle anderen erwähnten Titel. Wieso? Den ganzen Review gibt es hier.