Kurz

Johnny Wicked

Lang

Wusstest du, dass Mnemonik sich auf eine Technik bezieht, die dazu dient, das Merken von Informationen zu erleichtern? Ein bekanntes Beispiel für Mnemonik ist die Verwendung von Eselsbrücken. Im Film «Johnny Mnemonic» pfeift Keanu Reeves, welcher den namensgebenden Johnny spielt auf Eselbrücken und implantiert sich lieber ein bisschen Speicherplatz ins Hirn. Ist halt einfacher, als sich was merken zu müssen. Wieso er aber Mnemonic genannt wird, wissen die Götter.

Der 1995 veröffentlichte Film nimmt dich mit auf Zeitreise in die Ära der 90er, also die Zeit, in welcher CD-ROMs noch hochmodern waren, spielt aber weit in der Zukunft. Nämlich im Jahre 2021. Natürlich antizipierten die Filmmachenden bereits in den 90ern, dass CD-Roms obsolet werden und neue Speichermedien aufkommen würden. Gepaart mit dem Mythos, dass wir sowieso nur 10% unserer Hirnleistung in Anspruch nehmen, war rasch klar, welche Speicher-Evolution auf uns warten wird. Willkommen zu den menschlichen USB-Sticks. Jup, in «Johnny Mnemonic» werden aufgrund der iiiiiiiiiiiiimmensen Datenmenge die grauen Zellen angezapft. Und so schleppt sich Johnny mit ganzen 320 GB (!), also zwei Martin-Scorsese-Movies, im Kopf von A nach B. Und um den Film noch ein wenig spannender zu machen, sind die Yakuza auf sein beladenes Denkorgan scharf.  

Die Handlung ist so verschlungen wie ein verwirrtes LAN-Kabel, und die Dialoge sind so kryptisch wie ein vergessenes Passwort. Aber wer braucht schon einen sinnvollen Plot, wenn Keanu Reeves in seiner ikonischen Art durch eine düstere, neonbeleuchtete Zukunft stapft und dabei so cool aussieht, dass selbst die Computer vor Neid abstürzen könnten? In „Johnny Mnemonic“ zelebriert Keanu Reeves seine schauspielerische Genialität in einer Weise, die so übertrieben ist, dass selbst die Daten in seinem Kopf vor lauter Dramatik überlaufen. Reeves schafft es, den Datenkurier Johnny mit einer Mischung aus überbordender Coolness und einem Hauch von „Ich-speichere-im-Fall-mehr-Daten-als-dein-Computer“-Arroganz darzustellen. Sein Over-Acting erreicht in diesem Film epische Höhen. Sein übertriebenes Spiel macht „Johnny Mnemonic“ zu einem Fest für Fans des absurden Theaters. «I want room service!» ist Reeves «You Are Tearing Me Apart»-Moment und gehört bereits fix in jede Best-Worst-Movie-Fibel.  

Doch nicht nur Reeves «glänzt». Flankiert wird er von einem 90s-Who-is-Who. Da haben wir beispielsweise Ghetto-Rapper Ice-T am Start, dessen schauspielerische Leistung dermassen intensiv ist, dass man meint er versuche die 320 Gigabyte mit seiner übertriebenen Mimik und Gestik direkt zu übertragen. Dolph Lundgren als bibelsicherer Auftragskiller befreit die Welt von digitalen Sünden, Udo Kier glänzt wiederum mit spassigem Akzent, Henry Rollins scheitert wiederholt darin, eine ernsthafte Schauspielkarriere zu lancieren, Dina Meyer, welche sich ein paar Jahre später in «Starship Troopers» in die Herzen der Action-Fans spielen wird, schüttelt sich an der Seite von Reeves durchs dünne Drehbuch und Takeshi Kitano mimt den Yakuza-Oberboss, wäre aber augenscheinlich lieber in seinem Castle geblieben.

Visuell ist „Johnny Mnemonic“ heutzutage eine schnuckelige Hommage an die Technik der 90er Jahre. Vergiss 4K, vergiss HDR – hier gibt es nur pixelige CGI-Effekte, die an eine Ära erinnern, in der Computerbildschirme mit 256 Farben als High-Tech galten. Die CGI-Effekte sind eine Zeitreise in eine Ära, in der Computergrafik noch in den Windeln lag und dachte, Hoverboards wären das nächste große Ding. Jeder pixelige Cyber-Effekt schreit förmlich: „Hallo, wir sind in den 90ern, und das ist so futuristisch, wie wir es hinbekommen!“

Fazit

„Johnny Mnemonic“ ist wie eine verstaubte Floppy Disk – alt, langsam, aber schön nostalgisch. Die technischen Vorstellungen von damals mögen heute absurd erscheinen, aber der Film schafft es dennoch, einen gewissen Charme zu versprühen. Wenn du nach einem Film suchst, der so schlecht ist, dass er schon wieder gut ist, dann schnapp dir eine Tüte Popcorn, schalte dein Pager ein und lass dich von diesem Datenchaos in die Vergangenheit entführen. Es ist wie eine Zeitreise, nur ohne den Luxus eines DeLoreans – eher mit einem rostigen Zeitkapsel-Pickup-Truck auf den Straßen des Cyberpunk-Universums.

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