Kurz:

Hysterie im Wald und Stehen im Eck.

Lang:

„The Blair Witch Project“ ist als finanziell erfolgreichster Film aller Zeiten im Guinness Buch der Rekorde eingetragen (Produktionskosten $ 60‘000, Ertrag $ 248‘000‘000) und entsprechend wurde die Cash-Cow nur ein Jahr später bereits mit einem Sequel namens „Book of Shadows: Blair Witch 2“ gemolken. Das Sequel von Joe Berlinger konnte aber nicht mal hartgesottene Blair-Witch-Fans begeistern und verschwand innert kurzer Zeit in den Untiefen der Belanglosigkeit.

„Blair Witch“ unternimmt jetzt den nächsten Versuch, dem Wackelkamera-Spektakel eine würdige Fortsetzung zur Seite zu stellen. Nachdem schon 1999 eine innovative Marketingkampagne zur Lancierung von „The Blair Witch Project“ das Mittel zum Erfolg war, versuchte sich auch die „Blair Witch“-Crew in viralem Marketing und gab erst an der Comic-Con 2016 in San Diego die wahre Identität des Horrorstreifens, welcher bis dahin den Namen „The Woods“ trug, bekannt – und dies knapp zwei Monate vor Kinostart notabene. Mit dieser kommunikativen Überraschung erreichten die Filmemacher zwei Dinge, erstens verbreiten sich News aus den heiligen Hallen der Comic-Con stets wohlwollend und wie ein Lauffeuer und zweitens hatten so die Filmemacher die Möglichkeit „Blair Witch“ während 4 Jahren (!) in Ruhe zu entwickeln und abzudrehen.

„The Blair Witch Project“ kriegt also jetzt 17 Jahre später noch eine weitere Fortsetzung. Fairerweise muss ich anmerken, dass „The Blair Witch Project“ nie wirklich mein Ding war, besonders heutzutage versprüht der Streifen für mich nur noch Langeweile. (Schön subsummiert im Honest Trailer zuunterst in diesem Blogeintrag.) Doch Achtung, „Blair Witch“ bringt einen Hauch frischen Wind ins ausgelutschte POV-Genre und entstaubt nebenbei den 99er-Klassiker. Ein Verdienst von Adam Wingard („You’re Next“ und „The Guest“) und Drehbuchautor Simon Barrett, welche die bekannten POV-Fallen gekonnt umschiffen, indem sie ihre Protagonisten mit Mini-Kameras, nett auf deren Ohren platziert ausstatten und ihnen sogar eine Drone zur Seite stellen. Dieses Sammelsurium an Aufnahmen erlaubt Editor Louis Cioffi  fix zwischen den einzelnen Charakteren und Einstellungen hin und her zu schneiden und so den Film gegenüber dem Original fürs Auge abwechslungsreicher zu machen. Der Wackelkamera-Groove ist aber auch 2016 omnipräsent und bleibt nur bedingt ansehnlich. Und so findet sich der Zuschauer bald wieder in bekanntem Territorium: ein dunkler Wald, verwackelte Bilder, spärliche Beleuchtung und massenhaft Hysterie. Auch „Blair Witch“ kann das Deja-Vu-Gefühl nicht abschütteln.

Doch obwohl sich der Zuschauer zuweilen in einem Schüttelbecher wähnt, erzeugt „Blair Witch“ mit den gewählten Stilmitteln eine durchaus beklemmende Grundstimmung. Besonders eindrücklich ist der Sound. Hier wird das 7.1 noch so richtig ausgekostet. Ein Krächzen hier, ein Knacken dort, ein bisschen Blätterrascheln da, flankiert von panischen Schreien in der Ferne….. jup, Hühnerhaut, schön bist du da. Weiter positiv, die Hexe darf dieses Mal wesentlich kreativer wüten. Ihre Kills sind grausamer (Hallo Klappmesser!) und die sadistische Art und Weise wie sie ihre Opfer in den Wahnsinn treibt aber so richtig perfid. Besonders in der letzten Viertelstunde dreht sie den Horror-Pegel auf Elf und liefert POV-Terror vom Feinsten. Böse Hexe! Leider bleibt der Ursprung ihrer Mordlust und ihrer Affinität fürs quälerische Katz-und-Maus-Spiel ungeklärt. Hier verpassen es die Filmemacher wenigstens ein kleines bisschen unter der Oberfläche zu kratzen. Oberflächlichkeit scheint aber sowieso der Preis des Found-Footage-Genre zu sein, denn bis jetzt ist mir mit „Creep“ nur ein Film bekannt, welchen diesen Fluch brechen konnte.

Trotz einzelnen gelungenen Szenen und einer düsteren Grundstimmung ist „Blair Witch“ zu konventionell um einen fixen Platz unter den Lieblingen in unserer Horror-Film-Sammlung zu ergattern. Die Schauspieler sind, mit Ausnahme von Callie Hernandez, beliebig austauschbar und Regisseur Wingard war in „You’re Next“ und „The Guest“ wesentlich kreativer.

Fazit:

„Blair Witch“ setzt „The Blair Witch Project“ mit mehr Kreativität und neuen technischen Gadgets ins 2016-Kleid. Trotzdem schafft es der Film nicht, dem POV-Genre neue Leben einzuhauchen. Nix neues, aber durchaus solid.

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