Kurz:

Do androids dream of electric oscars?

Lang:

Der Blade Runner, welcher 1982 ins Kino kam, war ein mehr oder weniger schlecht geschnittener und inkohärenter Film. Nichtsdestotrotz mochte sich dieser in den letzten 30 Jahren zum prägenden Kultfilm entwickeln. Die Erzeugung eines dystopischen Amerikas, gefärbt in einer nie dagewesenen Sci-Fi-Optik, blieb nicht nur im kulturellen Gewissen der letzten 30 Jahre hängen, sondern schien auch dessen Regisseur nie loszulassen.

Nicht ganz frei jeglicher Ironie ist ausgerechnet jener Blade Runner, der dann in die Filmgeschichte einging, ein Replikant. Zehn Jahre nach dem ersten Wurf kam eine angepasste Version auf den Markt und fünfzehn Jahre darauf nochmals eine. Mit dem Final Cut veröffentlichte Ridley Scott 2007 die letzte (und beste) Version des Films und liess endgültig die direktorialen Finger ab der futuristischen Röschti. Scott verzichtete sowohl auf die lästigen Voice-Overs als auch das aus Luftmaterial von The Shining zusammengestohlene Happy Ending und fügte Szenen an, welche die wichtigste Frage überhaupt stellen: handelt es sich bei Harrison Fords misanthropischem Deckard um einen Replikanten? Soweit so ungeklärt.

Nun hat man sich Denis Villeneuve zugewendet, um das schier Unmögliche möglich zu machen: ein Quasi-Sequel zu einem Film, dessen kulturelle Grösse die effektive Qualität in den Schatten stellt. Der Regisseur von „Arrival“ und „Sicario“ meistert aber das Undenkbare und serviert uns mit Blade Runner 2049 einen Film, welcher es schafft mit einer Mischung aus atemberaubenden Spektakel und stiller Poesie eine eigenständige Weiterentwicklung des Originals zu sein.

Wir schreiben das Jahr 2049. Officer K (Ryan Gosling) ist ein Blade Runner der nächsten Generation. Wie Deckard vor dreissig Jahren ist auch er auf der Jagd nach unerwünschten Replikanten. Nach einem vermeintlichen Routinejob muss er sich auf die Fährte eines dreissig jährigen Mysteriums begeben, welches seine ganze Existenz in Frage zu stellen scheint. Begleitet auf seiner ödipalen Sinnsuche wird er von seiner virtuellen Freundin Joi (bezauberd: Ana de Armas).

Optisch bleibt Blade Runner 2049 seinem Vorgänger treu. Zurück ist das im Regen untergehende multikulturelle Los Angeles mit seinen dauerhaften Neonwerbungen, 1980er Futurismus und sensorischen Überbelastungen. Die Optik ist das Schmuckstück des Streifens und so führt Ks Reise ihn durch karge Wüstenlandschaften, ewige Mülldeponien, ein verstrahltes Las Vegas und sonstigen grossangelegten Überbleibsel einer längst zerstörten Welt.

Noch nie hat die dystopische Zukunft so umwerfend ausgesehen. Lorbeeren verdienen Production Designer Dennis Gassner und der ehrenwürdige Kinematograf Roger Deakins. Zweiterer führt die Kamera durch eine atemberaubende Welt, in welcher sich reale nicht von computergenerierten Szenenbildern unterscheiden lassen. Man möge dem Herren jetzt bitte seinen Oscar geben.

Trotz einiger Ehrfurcht einflössenden Action-Sequenzen schreitet der Film in einem erstaunlich kontemplativen, ruhigem Tempo voran. Officer K läuft in nahezu filmischer Trance an einer Palette von dystopischer Kulturphilosophien vorbei. Sklaverei, Speziesismus, Kinderarbeit, ökologische und kapitalistische Zukunftslosigkeit, für einen Film, bei welchem es primär um Replikanten geht, hat Villeneuve ein äusserst menschliches Narrativ gesponnen. Auch dank einem gelungenen Diskurs über künstliche Erinnerungen, ist Blade Runner 2049 ein grosser Film voller Seele und Menschlichkeit.

Untermalt wird die Wucht an Themen und Bildern mit einen dröhnenden Synthesizer-Soundtrack. Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch geben ihren besten Vangelis, nachdem der eigentliche Komponist Jóhann Jóhannsson vor einigen Monaten abgesetzt wurde, weil sein Soundtrack, naja, wohl zu wenig Vangelis war.

Manchen mag das Narrativ zu langsam vorwärtsschreiten. Denn dieses brennt mit 164 Minuten doch eine beträchtliche Länge auf das Celluloid. Doch die imposanten Szenenbilder, die atemberaubende Kinematographie und die schon fast arrogante Stilsicherheit Villeneuves lösen das selten gewordene Gefühl aus, wieder einmal Filmgeschichte mitbekommen zu haben.

Fazit:

Mit Blade Runner 2049 hat sich Denis Villeneuve einem beinahe unmöglichen Filmprojekt zugewendet. Dies mit betörendem Erfolg. Blade Runner 2049 ist ein bestechender und grosser Film, welcher mit unerwartet wenig brachialer Action und überraschend poetischen Momenten zu überzeugen weiss. Villeneuve vermag es, wie andere Regisseure schon lange nicht mehr, mit einem Film sein Publikum zum Staunen zu bringen und die post-humane Frage des „Final Cut“ gekonnt weiterzuspinnen.

Als nächstes munkelt man ja, dass er sich dem (wie manche meinen) langjährigsten Hollywood Produktionsdesaster der Filmgeschichte zuwenden will. Nach Blade Runner 2049 wären wir jedenfalls schon mal sehr gespannt auf Villeneuve’s Dune.

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