Kurz:

Virtuelle Liebe.

Lang:

Eingelullt von einer schief gesungenen Ballade sitzen wir verwirrt vor dem Bildschirm. Was haben wir uns hier genau angetan? Und während sich die kitschigen Zeilen „My love for you is to eternity“ in unsere Gehörgänge schleimen, versuchen wir das Gesehene zu verarbeiten.

OK, eigentlich wussten wir, auf was wir uns einlassen: „Julie and Jack“ ist das Debut von James Nguyen, Schöpfer der Best-Worst-Klassiker „Birdemic – Shock and Terror“ und „Birdemic 2 – The Resurrection“.

2003 liess er sein Erstlingswerk von der Leine. Also ganze 7 Jahre VOR seinen Vogelattacken auf Aug und Ohr. Wenn sich also jemand ansehen möchte, was der vietnamesische One-Man-Movie-Warrior in seiner Pre-Birdemic-Ära an Skills aufs Parket legte, „Julie and Jack“ ist eure Chance.

Mit einem Total-Score von 1,8 Punkten auf IMDb reiht sich der Film nahtlos ins Schaffen Nguyens ein. Jedoch basiert dieser Wert auf ganzen 370 Votes. Heisst „Julie and Jack“ kennt kein Schwein. Wir haben uns den Streifen bis zum balladesken Abspann angetan und damit grosszügig 90 Minuten unseres Lebens die Toilette runter gespült.

In „Julie and Jack“ verliebt sich ein glückloser IT-Salesman online in eine VR-Schönheit. Richtig gelesen, James Nguyen nahm bereits 2003 vorweg, was die „Black Mirror“-Reihe, „Her“ und „Blade Runner 2049“ Jahre später perfektionierten. Ist also Nguyen im Endeffekt wirklich der „Visionary Director“, welcher er gerne sein möchte? Not really, auch hier fährt Nguyen mit seiner endlosen Unbegabtheit, die einigermassen originelle Prämisse schnurstracks in eine mit Talentfreiheit durchtränkte Betonwand. 

Aber wir wollen jetzt nicht zu böse sein, bei „Julie and Jack“ geht es nämlich einzig um die LIEBE. Und diese hat es in sich. Als sich Julie und Jack das erste Mal „online“ begegnen und Amors Pfeil beide Herzen gleichzeitig durchbohrt, ist dies der Auftakt zur wohl romantischsten Beziehungskiste in der Geschichte des Kinos. Wer braucht schon sinkende Kreuzfahrtschiffe, wenn er Nguyens Vision von Romantik haben kann?! Die besteht nämlich aus stundenlangen Spaziergängen. Genau, Nguyens Gleichung ist einfach: Liebe = Spaziergänge. Viele, verdammt endlos anmutende Spaziergänge. Shit, das erste Drittel des Streifens besteht fast ausschliesslich aus ausgedehnten VR-Märschen durch San Francisco und Agglomeration. Dank Special-Effects-Wizard Nguyen kommt der Zuschauer in den Genuss, wie sich das Pärchen durch Wald und Blumenwiesen schaukelt, Bäume umarmt und sich dabei verträumte Blicke zuwirft. Und wenn dann der innovative VR-Geist Nguyens komplett durchbricht, werfen sich die Protagonisten schon mal in übergrosse Barock-Kostüme, um darin Schwäne zu füttern. What a Brave New VR-World.

Diese endlos anmutenden Spazier-Montagen subsummieren die ersten drei Monate der himmlischen Online-Beziehung. Für Charakterentwicklung bleibt aber keine Zeit, zu busy sind die Protagonisten damit, sich gegenseitig Liebesblicke zu zu werfen und wenn dann mal sowas wie ein Dialog entsteht, wird dieser von Verkehrslärm erstickt.

Ja, wie schon bei Birdemic wurde bei „Julie and Jack“ nichts nachsynchronisiert. Der Original-Ton vom Set muss reichen und wird auch dieses Mal von Strassengeräuschen, Meeresrauschen und knarrenden Büromöbel flankiert. Besonders imposant, in „Julie and Jack“ schafft es Nguyen sogar, Indoor-Szenen zu versemmeln. Wieso gab ihm niemand den Tipp, wenigstens mal die Fenster zur Strasse zu schliessen?

Nach rund 35 Minuten meldet sich Julie aus unerfindlichen Gründen aus der Virtuellen Welt ab, was Jack dazu veranlasst, seine Angebetete in der realen Welt zu suchen. Vorhang auf für eine spannende Detektiv-Story im Neon-Noir-Gewand. NOT. Spannung à-la-Nguyen heisst für die nächsten 45 (!!!!!) Minuten folgendes:

  1. Jack besucht Professor. Professor hat Flashback. Flashback mit Professor und Julie. Irgendwelches IT-Geschwafel. Flashback fertig. Professor leitet Jack an Sales-Executive weiter.
  2. Jack besucht Sales-Executive. Sales-Executive hat Flashback. Flashback mit Sales-Executive und Julie. Irgendwelches IT-Geschwafel. Flashback fertig. Sales-Executive leitet Jack an Studienkollegen weiter.
  3. Jack besucht Studienkollege. Studienkollege hat Flashback. Flashback mit Studienkollege und Julie. Irgendwelches IT-Geschwafel. Flashback fertig. Studienkollege leitet Jack an Lehrmeister weiter.
  4. Jack besucht Lehrmeister. Lehrmeister hat Flashback. Flashback mit Lehrmeister und Julie. Irgendwelches IT-Geschwafel. Flashback fertig. Lehrmeister leitet Jack an Julies beste Freundin weiter.
  5. Jack besucht Julies beste Freundin. Julies beste Freundin hat Flashback. Flashback mit bester Freundin und Julie. Irgendwelches IT-Geschwafel. Flashback fertig. Julies beste Freundin leitet Jack an Julies Ex. weiter.
  6. Jack besucht Julies Ex. Julies Ex hat Flashback. Flashback mit Ex und Julie. Irgendwelches IT-Geschwafel. Flashback fertig. Julies Ex leitet Jack an Julies Eltern weiter.
  7. Jack besucht Julies Eltern. Julies Eltern haben Flashback. Flashback mit Julies Eltern und Julie. (SPOILER ALERT!) Julie hat Hirntumor. Julie stirbt. Flashback fertig. Julies Eltern weinen und Jack hat einen traurigen Orgasmus (siehe Shortcut unten).

Jup, Julie ist tot. Schon lange. Hat sich aber durch ihr IT-Genie in den Computer hochgeladen. Trotz dieses Twists ist dieser Spürnasen-Part des Films eine nicht enden wollende Tortur für Aug, Ohr und Geist. Glücklicherweise schauen in regelmässigen Abständen ein paar bekannte Birdemic-Schauspieler ums Eck und wir kommen in den Genuss des Schauspielers James Nguyen. Immerhin.

Und was ist eigentlich mit der Liebe? Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern pendelt zwischen Jenseits-des-Gefrierpunkts bin hin zu tiefer gegenseitiger Abneigung. Jedenfalls performen beide Schauspieler wie fleischgewordene Wadenkrämpfe. Die kindergartenmässig konstruierten Dialoge tragen ihren Teil dazu bei. Absolutes Highlight, der französisch gewürzte Austausch der verliebten Linguisten. Siehe Shortcut unten.

Wie schon in der Birdemic-Reihe beweist Nguyen ein feines Händchen, wenn es darum geht, die männlichen Hauptrollen fehlzubesetzen. Justin Kunkle (Jack) brachte es 2004 noch auf zwei Auftritte in Kurzfilmen bevor er sich seiner Talentfreiheit beugte. Jenn Gotzon Chandler (Julie) schaffte es immerhin zu einer Nebenrolle in Frost/Nixon, welche primär ihrem Aussehen zu verschulden ist.

Den Bad-Acting-Vogel schiesst der beste Freund Jacks ab. Will Springhorn wird seinem bürgerlichen Namen gerecht, spielt er hier den dauergeilsten Typen der Filmgeschichte. Wenn er nicht gerade irgendeine heisse Lady auf respektlose, machoide Art flachlegt, quasselt er non-stop übers Flachlegen. Wenn du also schon immer einem durchschnittlichen, mit Bademantel bekleidetem College-Boy in den Schritt sehen möchtest, währenddem er peinliche Sexweisheiten zum Besten gibt: „Julie and Jack“ ist dein Film.

Was „Julie and Jack“ neben Flashback-Orgien, langweiligen Spaziergängen und quälenden Dialogen sonst noch bietet:

  • Ein tödliches Soundtrack-Gemisch aus Streichern, Panflöten, und schiefen Keyboard-Tönen.
  • Die langweiligste VR-Welt EVER. Blumenfelder, 1920-Kostüme und Verkehrslärm ahoi.
  • Knarrende Bürostühle.
  • Textstolperer
  • Wer will schon ins Bild hängende Boom-Mics, wenn man auch eine Nase (!) haben kann?

Fazit:

Während „Birdemic: Shock and Terror“ mit explodierenden Vögel aufwartet, bietet „Julie & Jack“ implodierende Dialoge. Zähneknirschende, langweilige Dialoge. Nur für geübte Filmmasochisten ertragbar. Jenen werden sich aber einzelne WTF-Momente für die Ewigkeit in deren Hirnrinde einbrennen. Versprochen.

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