Im März wurden die Oscars vergeben und wer in diesen Tagen einen Blick auf IMDb oder Rottentomatoes warf, rieb sich vielleicht verwundert die Augen: mit Oscars ausgezeichnete Filme wie „Boyhood„, „Birdman“ oder „Whiplash“ waren nicht unter der Top-Drei-„Box Office“-Titeln, stattdessen belegten die unsäglichen „Taken 3“, „The Hobbit 3“ und „Night At The Museum 3“ diese Ränge.

Wieso dominieren Remakes, Spin-Offs, Sequels und Prequels die Kinolandschaft und verweisen die wirklich sehenswerten Filme meist in die zweite Reihe? Wir haben drei mögliche Gründe herausgefiltert.

Teil 1: Die degradation der Drehbuchautoren

Auch wer nicht viel vom Filmemachen versteht, kann spätestens beim Abspann erkennen, dass in jeder Filmproduktion eine kleine Armee an Leuten arbeitet. Jede involvierte Person hat eine eigene Aufgabe und bringt ein eigenes Set an Skills mit. Der Kameramann, der technische Nerd und Profi, wenn es um die künstlerische Bildgestaltung geht, kennt jeden Aufnahmefilter aus dem Effeff, schiesst die besten Bilder und trotzdem überlässt er glücklicherweise die Koordination der Stunts einem ausgebildeten Stuntman, welcher wiederum besser die Ausstaffierung des Sets der Produktionsleitung anvertraut, und so weiter und so fort.

Jeder vertraut der Professionalität des Anderen und so krümmen sich Monate bevor die erste Filmkamera rollt die besten Drehbuchautoren über ihre Tastatur und hecken originellste Stories, cleverste Handlungen und markante Charakterköpfe aus oder adaptieren, kürzen und verbessern bestehende Romane. Arbeit, die in Form eines finalen Drehbuchs mündet, welches begeisterten Produzenten präsentiert wird, die wiederum in vollstem Vertrauen und ohne Korrekturwünsche die Skripts zur Produktion freigeben. Oder etwa nicht?

Die Ideenschmiede als gangbang

Heutzutage läuft es leider meistens anders rum und die Drehbuchautoren werden erst spät in den kreativen Prozess einbezogen. Es sind nämlich die Produzenten selbst, also die Geldquelle einer jeden Filmproduktion, welche die Filmideen austüfteln, denn ihnen ist marketingtechnisch klar, wie sich ein Film verkaufen lässt; jedenfalls nicht mit dem Namen eines Drehbuchautors.

Die Filmstudios holen frühzeitig berühmte Schauspieler oder Regisseure an Bord, da diese Namen alleine einen kalkulierbaren Absatz garantieren. Vielmals finanzieren die Geldgeber Filme bereits, wenn ein Filmtitel per se Profit verspricht, SQUIDindem er klar eingrenzt, für welches Genre er steht oder noch besser, einen erfolgreichen Vorgänger aufweisen kann. Wenn sich also ein Film „The Squid and the Whale“ nennt, werden grosse Studios nervös. Bei Titeln, wie „Fast & Furios 7“ oder „Get Smart“ in Kombo mit Steve Carell wird das Portemonnaie schnell geöffnet, denn da wissen die Filmstudios auf was sie sich einlassen.

Basierend auf dem Image eines Schauspielers oder des potentiellen Filmtitels werden die markt- und Meetingmarketinggesteuerten Grobideen von weiteren „Executive Producers“ wiedergekäut, in den meisten Fällen bringt auch der Agent, des in die Produktion involvierten A-List Schauspielers den einen oder anderen Input zur Story mit ein, bis sich dann schlussendlich alle Gangbanger auf ein Konzept einigen, welches erst dann, in dieser durchgereichten Fassung, vom Drehbuchautor in ein finales Skript verfeinert werden darf.

Das ziel sind die gruppen

Kein einfaches Unterfangen, kommt meist auch noch die Auflage hinzu, dass das Endprodukt mindestens zwei der vier wichtigsten Zielgruppen ansprechen muss:

  • Männer unter 25 Jahre (Präferenzen: Explosionen, Blut, gepimpte Autos, Sex, Poop-Jokes und keine Romanzen)
  • Männer über 25 Jahre (mögen eher dunkle, düstere Filme. Western oder Krieg sind ebenso hoch im Kurs, wie Stories über Männer, die ihre Familie beschützen oder sich wie Idioten benehmen)
  • Frauen unter 25 Jahre (Präferenzen: Freundschaft, Popmusik, Sarkasmus, sensible, muskulöse Jungs und Romantik ohne expliziten Sex)
  • Frauen über 25 Jahre (mögen Feel-Good-Movies und sind die Kernzielgruppe, wenn es um Filme über verdammte Liebe und anschliessendem Triumph des menschlichen Spirits geht)

Jeder Blockbuster spricht immer mindestens zwei dieser Zielgruppen an. In vielen Fällen ist es Tatsache, Dart on Target and Peopledass das Filmbudget in direktem Zusammenhang zum Volumen der zu erreichenden Zielgruppe steht. Somit sprechen nur die kostenintensivsten Blockbuster-Monster alle vier Gruppen an, siehe beispielsweise “Pirates of the Caribbean”.

Also machen sich die ausführenden Drehbuchautoren daran, in den Entwurf eines von Action strotzenden Skripts für Zielgruppe Nr. 3 noch eine Romanze rein zu schreiben oder dem sexy aussehenden Hauptprotagonisten möglichst einfach zu merkende One-Liners in den Mund zu legen, welche dann Zielgruppe 1 problemlos rezitieren kann. Ach ja, während der maskuline Held den demographisch politisch korrekt ausgewählten Bösewicht vermöbelt, müsste seine grosse Flamme halbnackt im bereits angewärmten Bett warten, damit auch der erforderliche Anteil Softporno im finalen Streifen nicht fehlt. Und weil kurzfristig noch Tom Cruise für ein Involvement begeistert werden konnte, braucht es einen neuen Charakter, welcher 50,1% Screentime haben sollte.

Wenn also die Stuntcrew, die Kameramänner oder die Kostümdesignerin ihre Jobs machen und mit ihrem Können und Know-How die Filmproduktion unterstützen, sind es vor allem die Drehbuchautoren, welche ihre angelernten Qualitäten nicht ausschöpfen können und von der Hollywood-Maschinerie missbraucht werden und hauptsächlich Charaktere einbinden und nötige Handlungsstränge hinzufügen.

Licht am Ende des Tunnels

Zum Glück gibt es seit 2004 „The Blacklist“, eine Datenbank, auf welcher geschriebene aber noch unveröffentliche Screenplays gespeichert sind und auf Blacklist Logorisikobereite und filmliebhabende Filmstudios warten, welche zuerst ein Drehbuch kaufen und dann erst über das benötigte Schauspieler-Ensemble nachdenken.

Über 300, der auf „Black List“ verfügbaren Skripts wurden bereits so produziert – und waren erfolgreich: „American Hustle„, „Juno„, „The King’s Speech„, „Argo“ oder „50/50„, sind alles eigenständige, originelle Produktionen ohne Franchise-Hintergedanken. Und da mittlerweile mit Netflix und anderen Streaming-Diensten auch Filme ohne millionenschweres Werbebudget ein grosse Zielgruppe erreichen können, kommt es hoffentlich in paar Jahren zum Umschwung, und das Blockbuster-Kino wird vermehrt von Qualität anstellt Quanität infiltriert.

Schön auf jeden Fall, dass es immer mehr Drehbuch-Autoren gibt, die das Zepter selbst in die Hand nehmen und ihre geschriebenen Vorlagen auch grad umsetzen. Beste Beispiele sind Quentin Tarantino (Kill Bill, Reservoir Dogs), Spike Jonze (Her), Alexander Payne (Sideways, About Schmidt), Christopher Nolan (Memento, Inception, Prestige) oder die Coen Brothers (Fargo, Big Lebowski). Noah Baumbach (The Squid and the Whale) und Wes Anderson (Grand Budapest Hotel, Fantasic Mr Fox, Rushmore) nicht zu vergessen.

Ob sich ihre sehenswerten Filme, dann an der Boxoffice gegen „Transformers 5“, „Terminator 6“ und „Fast and Furios 8“ durchsetzen, steht in den Sternen.

Coming soon

Teil 2: ZIELGRUPPE, 7,2 MILLIARDEN LEUTE
Teil 3: MERCHANDISING

 

Weiteres aus dem Motzegge

Share This:

3 thoughts on “Quo vadis Hollywood? Teil 1: Die Degradation der Drehbuchautoren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert