Kurz:
Achtung! Achtung! Sehr geehrte Damen und Herren, es ist eine Herde Killerhasen auf dem Weg hierhin und wir benötigen dringend Ihre Hilfe.
Lang:
Wir schreiben das Jahr 1972. Der richtungsweisende „Jaws“ wird erst drei Jahre später auf die Menschheit losgelassen und das Genre „Tierhorror“ ist noch auf seinem Selbstfindungstrip. Filme über Killerfrösche „Frogs (1972)“, mutierte Schlangen „Sssssss“ (1973) oder böse Fischmenschen „Zaat“ (1971) stehen auf dem Programm. (Anm. d. R.: wir haben selbstverständlich alle der drei erwähnten Filmtitel bereits gesehen und auch dazu einen Review verfasst. Einfach auf die Titel klicken.) Welcher Teufel aber die Filmemacher von „Night of the Lepus“ geritten haben mag, entzieht sich dem gesunden Menschenverstand.
Sogar das eigene Filmstudio glaubte dermassen wenig an die Prämisse von Killerhasen, dass kurz vor Film-Release der ursprüngliche Titel „Rabbits“ mit dem eher mysteriösen Titel „Night of the Lepus“ ersetzt wurde. (Lepus heisst Hase auf Lateinisch und Lateinisch kann ja bekanntlich eh kein Schwein.) Die Paranoia des Filmstudios ging sogar so weit, dass auch bei der Werbekampagne komplett aufs Abbilden von Meister Lampe und seinen Freunden verzichtet wurde. Weder auf Plakaten noch bei der Pressemitteilung, nicht mal im grandios üblen Trailer (unbedingt unten anschauen!) wurden Hasen als die Antagonisten des Films angekündigt. Jedenfalls war es echt mutig, den Stecker nicht zu ziehen und die mordenden Kaninchen dennoch ins Kino zu bringen. Vielleicht weil die Produktion stolze $ 900’000 verschlang?
Ein Grossteil des Filmbudgets floss ins Portemonnaie der Hauptdarstellerin Janet Leigh, welche 12 Jahre nach ihrem Ruhm als Duschopfer in „Psycho“ mittlerweile im biederen Schauspielmittelmass angekommen war. Immerhin holte sie John Carpenter 1979 für „The Fog – Nebel des Grauens“ nochmals vor die Kamera. „Night of the Lepus“ war aber bereits sowas wie ihr Schwanengesang. Ein schrecklich verstimmter Schwanengesang. Hölzern und gelangweilt stolpert Leigh durch Plot und Handpuppen. (In einem Interview Jahre später liess sich Mrs Leigh zu diesem Statement hinreisen: „I took the role because it was shot near my home, and that meant less time away from my family. I’ve forgotten as much as I could about that picture.“ Well, it shows.)
Der Leidtragende im ganzen Hasenumzug war aber Regisseur William F. Claxton. Bekannt als Drahtzieher hinter der legendären „Bonanza„-Serie (ja genau: diese hier!), erhielt er die undankbare Herkules-Aufgabe, entzückende Kleintiere als übermenschliche, wolfs-grosse Killermaschinen zu inszenieren. Eine Anforderung, die mit den damaligen technischen Mitteln natürlich komplett unmöglich war. So versucht Claxton den Terror hauptsächlich mit Grossaufnahmen von in Ketchup eingetunken Hasen und Kaninchen (ja, das ist nicht das gleiche liebe Leserschaft) einzufangen und mit einer knurrenden Geräuschkulisse und Suspense-Sounds zu flankieren. Doch auch ein knurrender, Ketchup-leckender Nager ist ein herziger Nager und so bleiben die Attacken der Säugetiere meist wie folgt zusammen geschnitten:
- umherirrender Mensch (im Hintergrund: mystische Musik)
- Nahaufnahme knuffliger Meister Lampe (im Hintergrund: leises Knurren)
- terrorisiert dreinblickender Mensch (im Hintergrund: laute mystische Musik)
- Nahaufnahme süsser Meister Lampe (im Hintergrund: lautes Knurren)
- schreiender Mensch (im Hinter- und Vordergrund: Knurren, Zeter-Mordio-Geschrei, Geigenterror)
- Cut – schwarzer Screen
- Nächste Szene
Alternativ sieht der Zuschauer Bilder von einem Rudel Hasen im Slo-Mo-Sprint durch Miniatur-Kulissen. Terror sollte wohl die penetrante Audio-Spur von einem Typen und dessen übertriebener Atmung vermittlen, doch wir wussten jeweils nicht, ob dies eine bis anhin versteckte sodomistische Anspielung sein sollte oder ob hier effektiv ein Asthmatiker mit dem Erstickungstod rang. Komisch.
Trotz Nahaufnahmen, Slow-Motion und verstörenden Audiospuren, der Terror hält sich selbstverständlich in Grenzen. Aber warum greifen eigentlich die Häschen an? Die Geschichte lässt sich rasch zusammen fassen: im amerikanischen Westen herrscht Hasenplage. Die Bösen wollen die Hasen mit einem grossangelegten Giftabwurf tilgen, die Guten versuchen in Labors irgendwelche tiergerechte Impfungen zu entwickeln. Dumm nur, dass die Impfung aus den Schosstier eine amoklaufende Killermaschine macht. So einfach.
Was wir sonst noch von „Night of the Lepus“ gelernt haben:
- Wenn ein Hase nicht gerade knurrt, macht er Meerschweinchen-Geräusche.
- Chemie bad, Elektrizität und Schiesspulver good.
- Pferde sind dumm.
- Hasen bleiben auch in Ketchup getunkt herzerwärmend.
- Wir wollen ein zeitgerechtes Remake dieses Klassiker. Ruft bitte jemand Alexandre Aja an?
Fazit:
„Night of the Lepus“ hat definitiv Mitternachtskino-Potential. Der Mut (oder die Naivität) eine solche Prämisse für die Grossleinwand aufzubereiten, verdient Szenenapplaus. Für die Zuschauer braucht es aber schon eine gehörige Portion Alkohol, um sich über die ganzen 88 Minuten lang, am immer gleichen Witz zu erfreuen. Wir können’s! Und jetzt alle: „Jööööööööööööh“.