Das Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF, frz. Festival international du film fantastique de Neuchâtel) ist ein im Jahr 2000 von einer Gruppe Studenten gegründetes, internationales Filmfestival, das jährlich in Neuchâtel durchgeführt wird. Es ist auf übernatürliche Filme spezialisiert, mit Fokus auf asiatisches Filmschaffen. FantasyScience-FictionHorrorMysteryThriller und ähnliches stehen auf dem Programm. Kurz: das NIFFF ist einfach geil!

Um möglichst breit über die diesjährige Ausgabe zu berichten, pendelten Dr. Elwood Stanz, Boris Ischi und Ronny Kupferschmid nach Neuenburg um unserem Lieblingsfilm-Festival beizuwohnen.

Schön war’s. Nette Gespräche, tolle Filme und feines IPA, das NIFFF war auch in diesem Jahr eine Reise wert! Wir freuen uns schon jetzt auf nie nächste Ausgabe. Feiert das NIFFF doch 2020 ihr 20ig-jähriges Jubiläum. Die KULTMOVIEGANG ist sicher wieder sowas von am Start!

Kurz-Reviews

Hier die Filme, welche wir uns zu Gemüte führen durften. In keiner bestimmten Reihenfolge. Wir haben bei weitem nicht alle Filme sehen können. Leider fehlt so auch der allseits gefeierte und mit dem Kritikerpreis ausgezeichnete „Swallow“ auf unserer Have-Seen-Liste. Tja.

Skin (2018, USA)

Story: Basierend auf einer wahren Geschichte bringt Guy Nattiv (Mabul) die Story von Bryon Widner aka „Babs“ (grandios: Jamie Bell) ins Kino. Widner wurde von einer kulthaften Skinhead-Truppe von der Strasse geholt und mit rein rassistischen Werten großgezogen. Als sich seine eigenen Wertvorstellungen verschieben und er seine grosse Liebe entdeckt, plant er den Ausstieg.

Fazit: Filme über Neonazis, die sich mit ihrer fragwürdigen Vergangenheit auseinander setzen, gibt es im Kino eher selten. Ein offensichtlicher Vergleichskandidat von „Skin“ ist sicherlich „American History X“ (1996) von Tony Kaye. Doch Nattiv wählt einen anderen Weg und inszeniert im Gegensatz zu Kanyes‘ Streifen kein märchenhaftes Melodrama, sondern fokussiert sich auf eine realistische Umsetzung mit ruhiger Bildsprache. Durch den Verzicht auf emotional manipulativen Score kriegt „Skin“ so fast einen Dokumentationstouch, was dem ruhigen Streifen sehr gut steht. Nicht nur wegen der leider immer noch brandaktuellen Thematik bleibt „Skin“ trotzdem sehr sehenswert!

3.5 / 5 (Ronny Kupferschmid)

Rise of the Machine Girls (2019, Japan)

Story: Mädchen mit amputiertem Arm schiesst sich durch Untergrund-Cyborg-Fabrik. Glauben wir jedenfalls.

Fazit: Ufff… Was für ein Einstieg in unseren letzten Tag am diesjährigen NIFFF. Sich um 10.30 Uhr – ergo nüchtern – „Rise of the Machine Girls“ reinzupfeffern, ist nicht ohne. Aber da sich nach knapp 5 Stunden Schlaf unser Hirn nur verzögert aktiviert, hatten wir unsere Freude an Yûki Kobayashis „The Machine Girl“-Reboot. Kein Wunder, bei wild herumfliegenden Körperteilen, abartig trashig inszenierten Nackedeien, lächerlichem Schiessereien-Ballett und hysterischem Overacting. Wer japanischen Trash mag wird hier voll und ganz bedient. Für eine Matinée-Vorstellung fanden wir es ganz nett.

3 / 5 (Ronny Kupferschmid)

Papa, sdokhni (2018, Russland)

Story: Freundin setzt ihren Stecher darauf an, ihren Vater zu ermordern. Er willigt ein. Wieso? Weil Film.

Fazit: Nach diversen Shorts präsentiert Kirill Sokolov mit „Why don’t you just die!“ sein Langspielfilmdebut. Der Russe erfindet mit diesem erfrischenden Streifen das Rad nicht neu. „Lock, Stock and Two Smoking Barrels“ oder „Bad Times at El Royale“ erzählen verschachtelte Geschichten um einiges besser, aber „Papa, sdokhni“ hebt sich mit ultra schwarzhumorigen Situationen und ultra brutaler Gewalt von der Masse ab. Auch wenn es scheint, dass hier teils die Geschichte um die Splattersequenzen herum geschrieben wurde, gefällt der Film mehrheitlich. Von der ersten bis zur letzten Minute unterhält er prächtig, kleinere Twists halten den Zuschauer stehts bei der Stange. Die Charaktere bleiben zwar allesamt unausgereift, aber was der Film will, macht er perfekt: unterhalten!

3.5 / 5 (Ronny Kupferschmid)

Shadow (China, 2018)

Story: Die Reiche von Pei und Yang leben in einer diplomatisch heiklen Situation, da die Stadt Jingzhou nach einem Ehrenduell an das Reich Yang übergegangen ist. Ob der Kommandant Zyiu die Wende bringt? Oder vielleicht sogar sein Doppelgänger?

Fazit: Ein ästhetisches und philosophisches Epos aus dem Reich der Mitte. Die Mischung aus Historien- und Fantasyfilm hat unsere Sinne begeistert. Die Bildsprache ist sicherlich die überragende Stärke von „Shadow“ mit den stimmungsvollen Farbpaletten, den Schwertkampf-Ballett im Regen oder den exquisiten Kostümen. Den ersten Teil des Streifens darf als etwas schwerfällig angesehen werden. Nichtsdestotrotz will man dank diesem Werk mehr über die Literatur-Traditon der Drei Reiche wissen.

4/5 (Dr. Elwood Stantz)

Hole in the Ground (Irland, Belgien, Finnland 2019)

Story: Eine junge Mutter zieht mit ihrem Sohn aufs irische Land. Nach diesem Umzug benimmt sich der Sohnemann immer wie seltsamer.

Fazit: Horrorfilme mit Kindern als Antagonisten gehen fast immer. «Hole in the Ground» ist dabei keine Ausnahme. Er ist bedrückend, mysteriös und es ist unangenehm zuzuschauen, wie die Mutter sich mehr und mehr vor dem fürchtet, was sie am meisten liebt. Das Werk ist solide und passt genau richtig zum NIFFF.

3.5/5 (Dr. Elwood Stantz)

Tone-Deaf (USA, 2019)

Story: Nachdem eine Stadtgöre ihren Job verloren hat und ihre Beziehung zu Brüchen gegangen ist, sucht sie Ruhe auf dem Landhaus eines exzentrischen Wittwers.

Fazit: Der Film ist vor allem eins: Zynisch wie selten ein anderer. Die Hochglanz-Horror-Komödie bietet viel Interpretations-Spielraum, um die herrschenden Generationenkonflikte zu deuten. Der Streifen bietet neben etliche blutigen Szenen auch einige WTF-Momente an.

3/5 (Dr. Elwood Stantz)    

Bliss (2019, USA)

Story: Malerin überwindet ihren Malstau, indem sie zur Blutsaugerin mutiert.

Fazit: Holy shit. „Bliss“ von Joe Begos ist ein kleines Anarcho-Punk-Splatterfest. Klar schafft es der kleine Independent-Streifen nicht, an die Machart eines „Climax“ oder eines „Mandy“ anzuschliessen, als kleiner, fieser, unerzogener Sprössling ebendieser Filmperlen geht „Bliss“ aber locker durch. Die ultradünne Handlung wird mit Blutfontänen und dreckigem Trash kaschiert. Musikalisch wie auch optisch. Und die 80 Minuten flutschen locker durch. Ein cineastischer Höllentrip.

4 / 5 (Ronny Kupferschmid)

The Lodge (2019, UK und USA)

Story: Eine zerrüttelte Familie versucht über Weihnachten offene Wunden zu kitten. In einer abgelegenen Hütte. Im Wald. Gute Idee?

Fazit: Die beiden Össis Severin Fiala und Veronika Franz sorgten bereits mit ihrem Debüt „Ich seh, ich seh“ für Aufruhr. In ihrem ersten englisch sprachigen Film bleiben sie der Thematik fragiler Familieninternas treu, garnieren aber die Idee noch mit einer Prise Glaube, Schuld und Sühne. Der Cast rund um Riley Keough und Alicia Silverstone überzeugt auf der ganzen Linie. Die Stimmung bleibt bis zum Schluss schön düster klaustrophobisch, die Geschichte trotz recht bekanntem Setting steht’s überraschend. Klar erfindet „The Lodge“ nicht alles neu, kocht aber alt Bewährtes erfrischend derb auf.

3.5 / 5 (Ronny Kupferschmid)

Come to Daddy (2019, Kanada, Neuseeland, Irland und USA)

Story: Ein Scheidungskind besucht nach über 30 Jahren seinen Vater in dessen abgelegenem Hütte. Im Wald. Gut Idee?

Fazit: Über „Come to Daddy“ darf nicht zu viel erzählt werden, weil sonst „Spoiler Alert“. Einfach nicht hinterfragen und schauen! Regisseur Ant Timpson (Produzent von „Housebound“, „Turbo Kid“, „Greasy Strangler“) serviert einen spannenden, beklemmenden und bizarren Thriller. Garniert mit viel schwarzem Humor überzeugt in diesem Streifen vor allem Elijah Wood als Grossstadt-Hipster. Auch der restliche Cast kann sich sehen lassen. Besonders Stephen McHattie (Pontypool) und Michael Smiley (Kill List) geniessen es sichtlich, in diesem kleinen feinen B-Movie zu agieren.

3.5 / 5 (Dr. Elwood Stantz)

Something Else (2019, USA)

Story: Ein Redneck in seinen Dreissigern wird, nachdem seine Freundin aus dem Haus ist, in der Nacht von einem Monster angegriffen. Das einsame Haus liegt im Wald. Na?

Fazit: Eine gelungene Mischung aus Horror, Comedy und Romanze. Der Streifen ist handwerklich simpel gehalten und auch das Schauspiel nicht ausserordentlich auffallend. Doch das macht das Ganze liebenswerter. Wenn man sich zusätzlich mit dem Hauptcharakter identifizieren kann, macht „Something Else“ besonders Spass.

3 / 5 (Dr. Elwood Stantz)

His Master’s Voice (2018, Ungarn)

Story: Ein junger Mann sucht nach seinem Vater. Aliens, die Schöpfungsgeschichte und viel Bimbourium runden die Geschichte ab. Und blasen sie auf.

Fazit: György Pálfi ist in den KMG-Gefilden für seinen grandios schrägen „Taxidermia“ bekannt. Entsprechend war unsere Erwartungshaltung nicht von schlechten Eltern. Doch kann „His Master’s Voice“ nicht an seine WTF-Anthologie anknüpfen. Zuviele Zutaten schmeisst der Ungare in seinen Kochtopf, lässt viele Fragen offen und verwirrt damit mehr, als er überzeugt. Optisch ist der Streifen ansprechend, inhaltlich hat er uns überfordert. Vielleicht sind wir auch einfach zu dumm.

2 / 5 (Ronny Kupferschmid)

Exterminadores do Além Contra a Loria do Banheiro (2018, Brasilien)

Story: Brasilianische Ghostbusters jagen an einer Schule den Geist eines besessenen Mädchens. Auch um damit ihrem Youtube-Kanal mehr Followern zu beschehren.

Fazit: „Ghost Killers vs. Bloody Mary“ so die englisch/deutsche Übersetzung des brasilianischen Splatterorgie. Die Hauptdarsteller sind im Land des Zuckerhutes waschechte Youtube-Stars und „Exterminadores do Além…“ ihr Kinodebut. Entsprechend dient die auf einem Post-It Platz findende Story primär dem Zweck, den Youtube-Influencern den nötigen Spielraum für ihren teils höchst zweifelhaften Humor zu bieten. Hier wir gefurzt, mit gefüllten Kondomen gespielt, Föten mastrubieren in offene Mäuler und besessene Kacke kriecht sich zum Angriff. Naja. Wer „Scary Movie“ mag, wird hier recht gut bedient. Da hilft auch das sehr ansprechende Braindead-eske Blutballett nur bedingt. Ja, der handgemachte Gore entschädigt teils für den Toilettenhumor. Aber nur zu ganz kleinen Teilen.

2 / 5 (Ronny Kupferschmid)

X – The eXploited (2018, Ungarn)

Story: Budapest wird von einer Selbstmordserie erschüttert. Eine Polizistin sieht darin das Werk eines Serienmörders. Doch die alleinerziehende Mutter kämpft nicht nur gegen misstrauische Arbeitskollegen sondern auch mit ihren immer häufiger auftretenden Panikattacken.

Fazit: „X – the eXploited“ überzeugt mit wunderschöner Cinematography, düsterer Grundstimmung und tollem Schauspiel. Die einer (guten) Tatort-Folge nicht unänlicher Story hätte den einen oder anderen Twist vertragen können, doch über die ganze Laufzeit überhält der Streifen prächtig.

3.5 / 5 (Ronny Kupferschmid)

The Fable (2019, Japan)

Story: Auch ein Hitman kann ausbrennen. Akiro Sato (Jun’ichi Okada) beherrscht sein tödliches Handwerk mit einer solchen Perfektion, dass er nur The Fable (der Märchenhafte) genannt wird. Dennoch muss der niemals lächelnde Profikiller ein vom Boss verordnetes 1-jähriges Sabbatical in Osaka antreten und das Töten für ein Jahr sein lassen. Doch als sich dort die lokale Unterwelt an seinen neuen Freunden vergreifen will, beschliesst er, sein Time-Out jäh zu unterbrechen…

Fazit: Die Hochglanz-Produktion aus Japan lässt trotz seiner 123 Minuten keine Langeweile aufkommen und bringt auch mit vorhersehbarer Story und grau-blassen Schauplätzen sogar ohne Dauerballerei genug Unterhaltung aufs Parkett. Vieles im Film wirkt zwar, typisch asiatisch, leicht befremdend auf uns – aber wir lieben es. Sayonara, John Wick!

3 / 5 (Boris Ischi)

Jesus shows you the way to the Highway (2019, Spanien, Estland, Äthiopien)

Story: Zwei CIA-Undercover-Agenten jagen im Psychobook als digitale Kopien einen anarchistischen Batman, der mit einer Pappmaske Stalins gemeinsame Dinge dreht.

Fazit: Trotz innovativem Storytelling und optisch einzigartigen Einfällen überspannt „Jesus shows you the way to the Highway“ mit seinem Mix aus „Total Recall“, „Inception“ und „Who killed Captain Alex“ den Bogen. Das bescheidene Produktionsbudget schafft es nicht, dem überdimensionalen Blumenstrauss an überdrehten Ideen, Rechnung zu tragen. Zuvielen wirkt der Film trotz seiner kurzen 83 Minuten Spielzeit langatming und bemüht. Als Kurzfilm sicher eine Wucht. Schade.

2.5 / 5 (Ronny Kupferschmid)

Shelley (2016, Dänemark)

Story: Ein kinderloses Ehepaar lebt zurückgezogen und naturverbunden ohne Strom und jeglichen technischen Schnickschnack in einem Haus am See. Die junge Elena aus Rumänien soll die beiden Selbstversorger unterstützen und trotz leerem Handyakku gewöhnt sie sich schnell an das Idyll in der Wildnis. Als sich die Drei einander annähern, ändern sich die „Arbeitsverhältnisse“ frappant: Elena wird Leihmutter für das sehnlich gewünschte Baby des Paares. Doch diese Schwangerschaft verändert Elena und wird unheilvoll wie keine andere. Trotzdem ist nach der Geburt der Horror für die frischgebackenen Eltern noch lange nicht vorbei!

Fazit: Der Film fängt verheissungsvoll an, dümpelt aber plötzlich auf einem äusserst bescheidenen Spannungslevel vor sich hin, auf eine markante Änderung hofft man vergebens. Da helfen auch sehr gute Schauspielleistungen nicht.

2 / 5 (Boris Ischi)

Extra Ordinary (2019, Irland, Belgien)

Story: Rose ist eine liebenswerte, einsame und etwas geschmacksfreie Fahrlehrerin im ländlichen Irland. Nebenbei hat sie auch übersinnliche Kräfte, die es ihr erlauben mit den Toten in der Zwischenwelt zu kommunizieren. Diese fürchtet sie jedoch, da halt grosse Macht mit grosser Verantwortung eingeht. Wird sie sich überwinden und dabei helfen eine satanistische Jungfrauen-Opferung zu verhindern?

Fazit: Der Film ist charmant und die Schauspieler allesamt sympathisch. Der Film ist in der Tat „ausser gewöhnlich“. Denn das Übernatürliche ist nicht etwa in eine lebendige Grossstadt zu sehen, sondern in einem verschlafenen Örtchen. Es muss nicht immer spektakulär sein. Der Humor ist sehr trocken, irisch und ab und zu infantil. Gut so.

3.5 / 5 (Dr Elwood Stantz)

Bacurau (2019, Brasilien)

Story: Bacurau: eine kleine Gemeinde, gelegen irgendwo im staubigen und felsigen Nirgendwo im Brasilien der nahen Zukunft. Eigentlich haben die Dorfbewohner gerade ihre Dorfälteste Carmelita zu Grabe getragen und somit vorerst genug Verluste erlitten. Plötzlich aber wird nach und nach die ganze Infrastruktur des Dorfes sabotiert. Wasser und Handyempfang fallen aus. Nachdem der scheinheilige Bürgermeisterkandidat Tony Jr. vor Ort erfolglos um Wählerstimmen geworben hat und abgezogen ist, beginnt das gewaltsame Töten der Dorfbewohner. Eine Gruppe weisser US-Amis hat das ganze Dorf im Visier!

Fazit: Obwohl als Science-Fiction-Thriller angelegt, erinnert Bacurau mit seinem Stil unwillkürlich an die alten Spaghetti-Western, wäre da nicht die als UFO getarnte Drohne der Angreifer. Durch seine eigenwilligen Zooms und Kamera-Einstellungen, belehrt der Film aber eines Besseren und übt auch Kritik an der politischen Situation Brasiliens. Trotz einem überaus gewalttätigen Schluss wirkt das nicht abgedreht, die Kritik am modernen Imperialismus sitzt. Action zum Nachdenken also. Tut auch mal gut. Und gefällt.

3 / 5 (Boris Ischi)

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One thought on “NIFFF 2019

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