War Machine (2017)
Netflix. Die heisse Kartoffel, die nicht nur die Jury in Cannes in unbequeme Diskussionen bringt, sondern auch immer mehr A-List-Schauspieler wie eine notgeile Kracke an sich zieht. Was bei Serien schon ganz doll vorhanden ist, fehlt bei Spielfilmen noch: Qualität. Auf der einen Seite stehen grandiose Titel wie House of Cards, Narcos, Black Mirror und natürlich Stranger Things, auf der anderen Catching the Sun, XOXO und jetzt eben „War Machine“. Doch sogar das Starvehikel um Brad Pitt, Ben Kingsley und Tilda Swinton schafft es nicht zu begeistern. Doppelt traurig, denn Regie führte niemand geringeres als David Michôd („Animal Kingdom“, „The Rover“). Pitt ist zwar sehr bemüht seinen inneren George Clooney zu kanalisieren, bleibt dabei aber blass. Auch ist es nie klar, was für ein Film „War Machine“ eigentlich sein soll. Für eine Kriegssatire ist er zu flach und zahnlos, als Komödie zu ernst und als Actionfilm funktioniert er überhaupt nicht. Da hilft ein planlos übergestülpt wirkendes Gefecht im letzten Viertel des Streifen auch nicht wirklich. Einige Lacher oder wenigstens Schmunzler bietet der Film, doch unter dem Strich ist sogar „The Men Who Stare at Goats“ (mit George Clooney) kohärenter und besser. Netflix, das war wieder nix.
A War (Krigen) (2016)
„Krigen / A War“ ist der zweite Film des dänischen Regisseurs Tobias Lindholm (Kapringen – A Hijacking). In diesem inszenatorisch reduzierten Kriegsdrama beleuchtet Lindholm das (fiktive) psychologische Dilemma des Kommandanten Pedersen (stark: Pilou Asbæk) rund um seinen Einsatz in Afghanistan. Richtig oder falsch gibt es in „Krigen“ nicht, Lindholm setzt die Zuschauer mitten in den Graubereich. Das Wahren von Moral und Ethik wird zur Zerreissprobe. Auch dank der Art und Weise wie der Film die sandig-braune Atmosphäre des Schauplatzes im Nahen Osten mit weichen und trotzdem kühlen Bilder des Familienalltags in Dänemark verbindet, gewinnt der Film an Tiefe. „Krigen – A War“ ist vielmehr Familiendrama als Kriegsfilm. So wird die Ehefrau den bemitleidenswerten Pedersen zum emotionalen Anker des Films und während ihr Mann und seine Truppe um Leben und Tod kämpfen, kämpft sie an den heimischen Fronten mit dem Familienalltag. „Krigen – A War“ ist ein subtiles Stück Film und wurde zurecht 2016 für einen Oscar nominiert. Besonders im zweiten Teil funktioniert die dramaturgische Umsetzung perfekt und zeigt den unlösbaren Widerspruch zwischen Prinzipien, Ethik und Menschlichkeit. Stark.
Son of Saul (2016)
Darf man einen Oscar-prämierten Streifen über den Holocaust nur mittelmässig finden? Ohne den Snob raushängen zu wollen, wir haben von „Son of Saul“ mehr erwartet. Nicht falsch verstehen, der deprimierende Film ist alles andere als schlecht und die gewählte Umsetzung, der Film ist im 4:3-Format gehalten und die Kamera begleitet den ungarischen Juden Saul durch seinen Leidensweg im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau auf Schritt und Tritt, ist äusserst mutig. Denn so spielt sich der ganze unmenschliche Horror meist in unscharfen Bildern im Hintergrund ab (Hallo Kopfchino), aber leider ist es auch so, dass in gut 90% aller Einstellungen der Nacken des Schauspielers/Schriftstellers Géza Röhrig im Zentrum steht. Ein bewusst gewähltes Stilmittel, das stört. Röhrig, also sein Nacken, spielt Saul, einen, ins Sonderkommando des KZ Birkenau delegierten Gefangenen, welcher in einer Kinderleiche seinen Sohn zu erkennen glaubt und diesen anschliessend von der Verbrennung retten will. Die erfundene Vater/Sohn-Geschichte benutzt Regisseur László Nemes um die Hässlichkeit der NS-Vernichtungslager zu veranschaulichen und die Zuschauer sozusagen auf eine Tour durchs KZ zu nehmen. Doch die künstlerische und manchmal leider auch gekünstelte „Tour der Tortur“ wirkt aufgesetzt und teils auch unglaubwürdig. Wie erwähnt „Son of Saul“ ist kein schlechter Film, doch der auf Teufel komm raus durchgewürgte Arthouse-Anspruch ist bei einem solchen wichtigen Thema ein Fremdkörper.