Auf der Suche nach möglichen Kandidaten für die Endjahres-Top-10-Liste werden im Dezember mehr Filme konsumiert als wir Reviews dazu schreiben können. Darum hier vier Kurz-Rezensionen zum Preis von einer. Spoiler: ein Top-Ten-Film ist dabei. Aber: expect the unexpected.

Roma (2018)

Mit dem „Gravity“-Oscar im Gepäck tritt Alfonso Cuarón nach seinem Abstecher in den Weltraum aufs Bremspedal und erdet sich. Der Mexikaner („Children of Men“) wirft mit „Roma“ einen Blick aufs Leben des Hausmädchens Cleo (YalitzaAparicio), welches bei einer intern reichlich angeknacksten Upper-Class-Familie ihre Brötchen verdient. Cuaróns wunderschön eingefangene Liebeserklärung an sein Heimatland klotzt mit einer Armada an Statisten, gekonnten One-Shot-Szenen und verschiedenen WTF-Momenten. Mit teils arg langsamen, an der Grenze zur Meditation kratzenden Kamerafahrten, verlangt er den Zuschauern einiges an Aufmerksamkeit ab. Doch die mit Details gespickten Schwarzweiss-Bilder laden zum heiteren Walter-Wo-Suchen ein. Entsprechend sollte der Film, wenn möglich, unbedingt auf Grossleinwand genossen werden. 

Aquaman (2018)

Achtung, hier kommt Martha 2.0. OK, um fair zu sein, ganz so übel, wie „Batman v Superman“ ist der Wassermann nicht, doch wieso wieder ein Mama-Komplex als Story-Line herhalten muss, bleibt das Geheimnis der DC-Bosse. Wenigstens muss in diesem Superhelden-Streifen kein intergalaktischer Highway am Himmel gestopft werden. Nein, hier ist es nämlich ein unterirdisches Tor im Marianengraben. Duh. Tja, dass „Aquaman“ nicht besonders originell sein würde, war klar, aber immerhin ist der Streifen hübsch anzusehen. Magst du’s bunt? Dann ab ins LSD-Kino. Auch passabel, Jason Momoa macht seine Sache ganz gut. Und nach dem vierten dramatischen, mit Pauken und Trompeten unterlegten Überdieschultergucker des Protagonisten, wird der Streifen sogar unfreiwillig dämlich. Lächerliche Outfits, absurde Fischmenschleins und Dolph Lundgren auf einem Seepferdchen? Für uns sind das natürlich Qualitätsmerkmale. Ja, mit dem Lächerlichkeitsfaktor versenkt „Aquaman“ jeden DC- und auch Marvel-Streifen locker. Selbstverständlich werden in dieser quietschbunten Welt weder „Justice League“ noch „BvS“ referenziert, wieso auch? Batman und Superman sind ja eh im Sabbatical und es dauert sicherlich noch eine Weile, bis sich der Ersatz für die Herren Affleck/Cavill ihre Kostüme überstülpt. Von dem her muss neben Wonderwoman halt Fishboy ähmmm Fishman das DC-Universum über Wasser halten. Schön erleidet er bei seinem ersten Versuch keinen Schiffsbruch. „Aquaman“ = aalglatte Unterhaltung.  

Spiderman: Into the Spider-Verse (2018)

Der beste Spiderman ist animiert. Huch, wer hätte das gedacht? Die Story dreht sich in diesem computeranimierten Spin-Off um Miles Morales‘ Origin-Story. Was? Schon wieder eine Origin-Story?! Tönt langweilig, ist es aber nicht! Mit reichlich Selbstironie ausgestattet, referenzieren die Herren Bob PersichettiPeter Ramsey und Rodney Rothman das ganze Spiderversum und drehen es nebenbei mal locker flockig durch den Fleischwolf. Spiderpig? Check. Depressiver Neo-Noir-Spiderman? Check. Ein verfressener Emo-Peter mit Pizzawampe? Check. Kurz: „Into The Spider-Verse“ ist anders, originell und macht Spass. Mit seiner doch recht komplexen Story (Parallel-Universen anyone?) fokussiert er sich inhaltlich auf Erwachsene, trifft aber in der Machart zu 100% die angepeilte Zielgruppe. Hier wird gebounced bis die Boxen glühen. Teenager-Probleme inklusive. Und das Beste? Der Animationsstil ist eine Wucht. Jedem Spider-Verse wird sein eigener Animationsstil verpasst, eine optische Augenweide. Dazu die erwähnt abwechslungsreiche Story und voilà: „Into the Spider-Verse“ ist der beste Spiderman in der Filmgeschichte. Und im Fall auch der beste Superheldenfilm diesen Jahres. (Take that, Thanos!)

Climax (2018)

Ich liebe Gaspar Noé. „Irreversible“ ist eine brachiale Erfahrung, die ihresgleichen sucht, „Enter The Void“ ein auf Zelluloid gebrannter Augenschmaus und sogar „Love“ konnte ich Positives abgewinnen. Entsprechend war die Erwartung an „Climax“ gigantisch. Insbesondere, weil der neue Streifen Noés mit Lob und Awards überschüttet wurde. Leider zu unrecht. „Climax“ strotzt vor Klischées, hat Längen und ist schlicht einfach belanglos. Klar, visuell bleibt Noé ein Virtuose. Die Anfangssequenz alleine wäre eigentlich das Eintrittsgeld wert. In einem 20-Minuten langen Take schafft es Noé, nach einer grandios choreografierten Tanzszene, mit seiner Kamera schwerelos durch den Raum zu gleiten und nahtlos zwischen Dialogen einzelner Protagonisten hin und her zu wechseln. Ja, nach 30 Minuten im Film drin war ich mir sicher, „Climax“ wird mein Streifen des Jahres. Doch nach diesem fulminanten Start dreht sich nicht nur die Kamera im Kreis. Es wird offensichtlich, dass Eye-und-Ear-Candy alles ist, was Noé in „Climax“ zu bieten hat. Leider gilt dies auch für die Charaktere im Film, welche zwar allesamt hübsch anzusehen sind, aber bis zum Schluss belanglos und eindimensional bleiben. Kommt hinzu, dass ausnahmslos alle komplett hysterisch handeln und exzessiv von einem dämlichen Fettnäpfchen ins nächste taumeln. Meine Empathie für diese vertrippte Dumpfbackentruppe verabschiedete sich umgehend. Und wieso Noé zu guter Schluss versucht, mit der Kamerafahrt durch das mit nackten Körpern bepflasterte Schulhaus, die weitaus brillantere Schwulenclub-Szene aus „Irreversible“ zu kopieren, bleibt sein Geheimnis. Coitus interruptus.  

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