Ahnungslosigkeit ist Glückseligkeit
Früher was alles besser. Früher glaubte ich fest daran, dass John McLane perfekt Deutsch spricht. Früher war es mir herzlich egal, dass sich die Lippen von Terrence Hill asynchron zu seiner Stimme bewegten und früher wollte ich Englisch so gut verstehen wie heute Chinesisch.
Mit dem Stimmbruch verschwanden allmählich die hartnäckigen Pickeln im Gesicht, die englische Sprache wurde omnipräsent und aus Desinteresse entwickelt sich plötzlich Neugier. Heute weiss ich, dass Bruce Willis zwar in Westdeutschland1 geboren wurde, aber ähnlich gut Deutsch spricht wie meine Katze bellt.
Obwohl sich die Filme aus meiner Jugendzeit in der synchronisierten Fassung in mein Zerebrum eingebrannt haben, fällt es mir heute unglaublich schwer, nein es ist mir unmöglich, synchronisierte Filme zu gucken.
Pavarotti als Rapper?
Das Gesamtbild muss stimmen. Mit der Stimme kommunizieren wir über einen Drittel der ganzen Botschaft. Die verbale Kommunikation definiert „was“ wir sagen, die paraverbale „wie“ wir es sagen. Ist unsere Stimmlage hoch oder tief, sprechen wir laut oder leise, klingen wir eintönig, wie schnell reden wir und wie betonen wir einzelne Wörter? Zusammen mit der Körpersprache macht dies über 90% Gesamtbildes aus. Werden die verbale und nonverbale Informationen getrennt, so nimmt die gemeinsame Wirkung ab.2
Schauspieler, wie auch Sänger, investieren viel Zeit in das Training ihrer Stimme. Als Vorbereitung für seine Rolle als Joker in “The Dark Knight” hat sich Heath Ledger über Monate in ein Hotelzimmer zurückgezogen und dort akribisch an der Postur, der Persönlichkeit und der Stimme des Jokers gearbeitet.3 Das Resultat war brilliant und wurde mit einen Oscar, leider posthum, ausgezeichnet.
Zum Vergleich: ein und dieselbe Szene in Deutsch und Englisch
Joker deutsch:
Joker englisch:
Nebst der Snychronisation der Stimmen der Schauspieler werden meist auch die Hintergrundgeräusche nicht von der originalen Tonspur übernommen. Der synchronisierte Film tönt vielfach dumpfer und matter als das Original.
«Ich will den Film gucken, nicht Untertitel lesen»
Ich kann das Argument der Befürworter der Synchro nachvollziehen, es zeigt aber den Stellenwert, den Filme heute haben. Sie müssen berieseln. Auch nur ein kleiner Effort seitens des Publikums darf nicht erwartet werden. Im Startwochenende in Bern verzeichnete die deutsche Version von dritten (und hoffentlich letzten) Teil des Hobbits fünf Mal mehr Eintritte als die Original-Version.4
Die KultMovieGang ist überzeugt, dass es sich lohnt Filme so zu schauen wie sie vom Regisseur, Schauspieler und Toningenieur ausgearbeitet wurden. Die cineastische Erfahrung ist um ein vielfaches reichhaltiger und im „schlimmsten“ Fall lernt man sogar noch ein bisschen Englisch.
Appendix
Ausnahmen bestätigen die Regel. Hier zwei wirklich wirklich gute Synchs:
Zwei Schauspieler, eine Szene, gleicher Synchronsprecher
Bockelberg zum Thema
1 IMDb http://www.imdb.com/name/nm0000246/?ref_=fn_al_nm_1
2 Kürze & Würze http://www.kuerzeundwuerze.ch/wissenswertes/wissen-von-a-z/paraverbale-kommunikation/
3 Wikipedia http://en.wikipedia.org/wiki/The_Joker_%28The_Dark_Knight%29
4 ProCinema, Eintritte Dezember 2014
3 thoughts on “Die Krux mit der Synchronisation”