Kurz:
Eine Comicverfilmung, die den Namen wirklich verdient.
Lang:
Bis ich durch eine Zeitschrift auf den Film aufmerksam gemacht wurde, wusste ich noch nicht mal, dass es diese Comicfigur überhaupt gibt. Dabei jagt der Bulle in Gelb schon seit den 30er-Jahren böse Buben. Wie der Hutträger mit schickem Mantel an mir vorbei gehen konnte, war mir damals in den Jugendjahren ein grosses Rätsel.
Ich war also gespannt und habe alle Infos darüber aufgesogen. Jugendzeitschriften wie Bravo oder Popcorn hatten coole Aufkleber und natürlich Poster zum Film. Fazit: Die Batman-Poster in meinem Jugendzimmer mussten kurzzeitig den Dick Tracy-Postern weichen. Heute würde man sagen: Ich war sowas von gehyped.
Dann gings ab ins Kino. Mein Papi war dabei und klärte mich über Dick Tracy ganz genau auf. Im Gegensatz zu mir kannte er den Comic-Bullen bestens und teilte mit mir sein Fachwissen. Die Vorfreude wurde noch grösser. Wir waren etwas spät, sassen dann aber pünktlich im Kino.
Doch etwas stimmte nicht. Die Eröffnungssequenz war sehr komisch. Lange Beine erstreckten sich über die Leinwand. Zieht sich da jemand an oder sogar aus? Sind wir hier in einem falschen Film gelandet? Ja, das waren wir tatsächlich.
Pretty Woman!
Wir sassen im falschen Kinosaal. Sofort standen wir auf und bahnten uns den Weg durch Frauen mit freudig erregten Gesichtern und zum Teil männlichen Begleitern, die sich wünschten, es hätte damals schon Smartphones gegeben.
Jetzt aber schnell in den anderen Kinosaal. Es war schon dunkel. Dick Tracy hatte gerade begonnen, wir waren noch rechtzeitig da und schon mittendrin im Comic-Spektakel. Die erste Prügelei lief. Da wackelte eine Holzhütte. Tracy gab gerade einem bösen Buben ordentlich aufs Maul.
Und ich war sofort hin und weg. Ich hatte wirklich das Gefühl, in einem Comic zu sein. Die bunten, leuchtenden Farben, die spärliche Ausleuchtung, die harten Schnitte, der total überzeichnete Stil. Das war und ist bis heute optisch einfach eine der besten Comicverfilmungen aller Zeiten. Seine minimalistische Struktur, die häufige Verwendung von Primärfarben wie in der Comic-Vorlage und die filmische Verbeugung vor dem Gangster-Genre waren einzigartig. Nur Sin City konnte diese filmsprachliche Radikalität später noch übertreffen.
Ich fand sogar Madonna als Breathless Mahoney (was für ein Name!) toll. Aber lassen wir mal die Nostalgie-Brille beiseite. Die Pop-Queen besass wirklich das schauspielerische Können einer Badezimmerkachel. Das ging ja gar nicht. Die sah einfach nur gut aus und säuselte irgendwelchen Mist über ihre Lippen. Ja, Madonna war in diesem Film einfach nur nett und halt ein klassisches Eyecandy.
Warren Beatty, der auch auf dem Regiestuhl Platz nahm, war für mich der perfekte Dick Tracy. Gut, ich kannte den Charakter vorher nicht, wahrscheinlich hätte mich auch ein Arnold Schwarzenegger überzeugt. Und war seine Funkuhr nicht megacool und seiner Zeit weit, weit voraus? Wollten wir nicht alle auch so ein Gadget haben?
Und sind wir ehrlich: Das Highlight oder die Highlights im Film waren doch die Schurken mit ihren deformierten Gesichtern und kuriosen Schädeln. Allen voran Al Pacino als Big Boy Caprice, dieser fiese Gnom, der über Leichen ging. Eine Paraderolle für Mister Pacino. Es war ersichtlich, dass er bei den Dreharbeiten seinen Spass hatte.
Und hatte dieser extrovertierte Gangsterboss gerade nicht einen Anfall und schäumte vor Wut, sorgten seine Handlanger für wirklich coole, total abgefahrene Auftritte. Dustin Hofmann als Murmler war quasi die Rain Man-Version im Tracy-Universum. Und Flachbirne und Dörrpflaume und wie sie alle hiessen, die direkt aus den Comics auf die Leinwand gezerrt wurden. Fantastisch.
Und dann kam diese Aufbruchsszene der bösen Buben gegen Ende des Films. Waffen durchladen. Die Autos starten. Der Konvoi des Bösen fuhr los. Dann wird viel Blei verteilt. Dick Tracy ballert sie alle weg. Für mich der Höhepunkt des Films. So schnell mussten wohl noch nie so viele Gangster blaue Bohnen schlucken. Grandios.
Fazit:
Dick Tracy läutete die bunten, sehr unterhaltsamen 90er-Jahre passend ein. Der Streifen war damals eine perfekte Comicverfilmung, die mir lange, lange im Gedächtnis blieb und immer wieder mal aufflackert. Ein schneidiger Held mit tollem Mantel, krude Gangster und eine Wahnsinns-Optik überzeugten übrigens auch meinen Papi, als langjähriger Kenner des Überbullen. Auch der Soundtrack blieb in den Gehörgängen. Und damit meine ich nicht das Madonna-Album zum Film, sondern den Score vom Meister Danny Elfman. Dick Tracy ist und bleibt ein Kultfilm, den man sich immer wieder mal zu Gemüte führen darf. Am besten in HD, um in den vollen optischen Genuss zu kommen.
4 von 5 gelben Filzhüten