Kurz:

Der belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot hat es nicht leicht. Im Eiltempo hat er an der Klagemauer in Jerusalem einen weiteren Fall gelöst und möchte nun eigentlich den Urlaub mit seinem Charles Dickens-Roman im Gepäck geniessen. Doch die gemütliche Zugfahrt gerät durch einen garstigen Mord aus der Bahn. Das Buch benötigt Aufschub, zuerst müssen zwölf potenzielle Täter Rede und Antwort stehen. Eine Herkules-Aufgabe, zumal die Passagiere recht undurchsichtig sind.

Lang:

Für die aktuelle Verfilmung des 1934 von Agatha Christie verfassten Romans „Murder on the Orient Express“ führt Kenneth Branagh nicht nur Regie, sondern besetzt zugleich selbst die Hauptrolle. Branagh, bekannt aus der Theater- und Filmwelt, widmet dem belgischen Kommissar Hercule Poirot eine erweiterte Hintergrundgeschichte. Die kleinen Eigenheiten der Hauptfigur erhalten viel Raum. Dadurch kommt der Film streckenweise wie eine Theaterinszenierung daher.

Sein Faible für William Shakespeare – einige Werke des Dichters brachte er auch auf die grosse Leinwand sowie auf die Bühne – kommt vor allem gegen Ende zum Vorschein. Ähnlich wie bei Shakespeare erfolgt die berühmte Auflösung der Tat sehr theatralisch.

„Mord im Orient-Express“ wurde bereits dreimal verfilmt, eine Adaption stammt sogar aus Japan. Die bekannteste Version ist jene von 1974. Diese punktete mit Berühmtheiten wie Sean Connery, Ingrid Bergman oder Lauren Bacall und geniesst auch heute noch einen guten Ruf. 43 Jahre später schlüpfen Stars wie Johnny Depp, Willem Dafoe, Michelle Pfeiffer und weitere Hochkaräter in dieselben Rollen.

Ergänzt werden die Routiniers dabei von aufstrebenden Neulingen wie Daisy Ridley („Star Wars Episode VII: The Force Awakens“) oder Lucy Boynton („Sing Street“). Der illustre Cast wirkt trotz seiner Strahlungskraft grösstenteils verschenkt. Jede Figur bekommt zwar eine oder mehrere grössere Szenen spendiert, dabei ragen aber lediglich Depp, Pfeiffer und mit Abstrichen Branagh aus dem Ensemble hervor. Depp spielt die Rolle eines schmierigen Geschäftsmannes und wird während der Fahrt ermordet. Es gelingt ihm nur ansatzweise seine kurzlebige Rolle mit Leben zu füllen. Pfeiffer überzeugt als geschwätzige Dame, die gerne mal zum Glas greift und Branagh hat sichtlichen Spass am Rätseln. Die restlichen Figuren bekommen wenig Zeit zur Entfaltung und verkommen so zu blassen Stichwortgebern.

Wie beim Orient-Express ist das Tempo des Films gemächlich. Die Geschichte steht stets im Vordergrund. Das wirkt im Vergleich zum üblichen Bombast-Kino vom Fliessband charmant, altmodisch und leicht aus der Zeit gefallen. Um den heutigen Sehgewohnheiten dennoch entgegen zu kommen, wurden ein paar kleine Action-Sequenzen eingestreut. Diese tragen durch ihre altbackene und gemächliche Inszenierung nichts zur eigentlichen Handlung bei. Ein weiterer Fremdkörper sind die auffälligen Computereffekte, welche beispielsweise aus schlecht animierten Schneelawinen oder künstlich aufgebesserten Landschaften bestehen.

Gedreht wurde auf 65-Millimeter-Rollen, ein Verfahren aus der Zeit, als man noch analog statt digital filmte. Diese Methode bietet mehr Detailreichtum und Farbumfang, ist aber teuer und aufwendig in der Produktion. Nur wenige Lichtspielhäuser verfügen über die notwendige Ausrüstung. In den meisten Fällen läuft der Film im üblichen Format. Die Landschaftsaufnahmen des Films sehen aber auch ohne diese Technik oftmals gelungen aus.

Fazit:

Der aktuelle Trip auf dem Orient-Express ist qualitativ durchschnittlich ausgefallen. Dank einigen hübsch eingefangenen Bildern, passenden Kostümen, gut aufgelegten Schauspielern sowie weitestgehender Treue zur Vorlage rollt die Zugfahrt trotzdem kurzweilig dahin. Weniger Eitelkeit seitens des Regisseurs und eine straffere Handlung ohne aufgesetzte Zugeständnisse an das heutige Event-Kino hätten dem Ganzen gut getan. Mit der Verfilmung von 1974 fährt man deshalb auch heutzutage besser.

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