Kurz:

Jesse verbringt mit Ehemann Gerald das Wochenende in einem abgelegenen Haus. Mithilfe eines Fesselspiels wollen sie der kriselnden Beziehung neues Leben einhauchen. Dabei geht die Sache ziemlich in die Hose.

Lang:

Aktuell sind Verfilmungen des amerikanischen Schriftstellers Stephen King keine Mangelware. „Mr. Mercedes“ sowie „The Mist“ wurden als Fernsehserien umgesetzt. „Children of the Corn: Runaway“ soll zumindest in Amerika noch in diesem Jahr eine DVD-Auswertung  erhalten. Im Kino stürzte „The Dark Tower“ an den Kinokassen ein . Dafür avancierte die Neuverfilmung von „It“ zum bislang erfolgreichsten Horrorfilm. Fernab der Hysterie um das kinderfressende Monster namens Pennywise hat Netflix mit „1922“ sowie „Gerald’s Game“ zwei weitere King-Adaptionen veröffentlicht. Als Vorlage für letztere dient der gleichnamige Roman aus dem Jahre 1992.

Da die Qualität der filmischen Auswertungen des bekannten Autors stark schwankt und auch die inzwischen zahlreichen Netflix-Eigenproduktionen noch nicht richtig überzeugt haben, darf man durchaus mit gemässigter Erwartungshaltung an den Film herangehen. Erfreulicherweise ist „Gerald’s Game“ keine Zeitverschwendung geworden.

Der amerikanische Regisseur Mike Flanagan („Hush“) hat bisher fernab des Mainstreams einige Filme gedreht und dabei desöfteren die Hauptrollen mit weiblichen Hauptfiguren besetzt, welche im Horrorgenre ansonsten gerne mal als schnelles Kanonenfutter eingesetzt werden. Flanagans neuestes Werk stellt ebenfalls eine Frau in den Mittelpunkt.

Jesse (Carla Gugino,“Watchmen“) lässt sich von ihrem Ehemann Gerald (Bruce Greenwood, „I, Robot“) zu einem sexuellen Abenteuer überreden. Getragen wird der Film vor allem von der überzeugend spielenden Gugino und dem oftmals unter Wert verkauften Greenwood, welcher hier den triebhaft ausgehungerten Partner mit sichtbarem Engagement verkörpert. Gugino hingegen wird anfangs als ahnungsloses Opfer der Umstände hingestellt und macht gute Miene zum bösen Spiel. Kurze Zeit später ist sie aber angeekelt von den heftigen Fantasien ihres Partners und möchte sein Spiel abbrechen. Doch damit nicht genug. Gerald erleidet einen Herzinfarkt und lässt seine Frau angekettet im Bett zurück.

Danach folgt eine Auseinandersetzung mit den inneren Dämonen von Jesse, ihrer turbulenten Vergangenheit und dem Eheleben. Dabei erhalten unter anderem ein Hund, ein Glas Wasser sowie der ominöse „Moonlight Man“ (Carel Struycken, „Twin Peaks“) tragende Rollen.

Die Grundidee, dass sich Charaktere aus einer prekären Lage befreien müssen, kennt man beispielsweise von „Cube“ oder etwas aktueller aus „Saw“. Dort lieferten sich zwei Menschen einen erbitterten Überlebenskampf. „Gerald’s Game“ fährt aber keineswegs blutrünstigen Splatter auf. Es gibt exakt eine heftige Szene. Diese ist dafür umso härter ausgefallen und bleibt durch die Ausführung auch im Gedächtnis haften.

Lange Zeit findet das Geschehen nur im Wohnzimmer statt. Der Schlüssel für die eng sitzenden Handschellen befindet sich ausser Reichweite. Die Strasse ist leer. Zu der trostlosen Situation gesellen sich zudem seltsame Eingebungen. Die karge Umgebung trägt zur Spannung bei.

Später spielen Rückblenden eine tragende Rolle. Dabei jongliert Flanagan mit einigen King-Elementen (Musik und Ausstattung im Stile der 1950er Jahre, eine vordergründige Vorstadtidylle sowie zwielichtige Erwachsene) und fügt der Szenerie obendrein einen optisch auffälligen Rot-Filter hinzu. Generell wandelt sich der Film in der zweiten Hälfte vom Überlebensdrama zum bemühten Thriller mit aufgesetzten Gruselelementen. Die Laufzeit von 103 Minuten zieht das reduzierte Grundgerüst künstlich in die Länge.

Dafür stellt der „Moonlight Man“ das heimliche Highlight des Films dar. Was unter auch daran liegt, dass der bereits erwähnte Holländer Struycken eine beachtliche Körpergrösse sowie markante Gesichtszüge besitzt. Wirklich viel Platz im Geschehen nimmt er nicht ein. Seine Anwesenheit wird dennoch stets unterschwellig angedeutet. Die wenigen Auftritte werden denkwürdig aufgebaut und ausgeführt. Zum Ende hin wird die Figur jedoch entmystifiziert und wirkt somit auch ein wenig verschenkt. Nichtsdestotrotz hat er sich einen kleinen Platz im Unterbewusstsein erschlichen. Ähnliches trifft ebenfalls auf gewisse Teile von „Gerald’s Game“ zu.

Fazit

Der fiktive Preis für die beste King-Adaption des Jahres 2017 geht an „Gerald’s Game“. Das Thrillerdrama entwickelt sich zunächst bedächtig und trumpft mit überzeugenden Hauptdarstellern sowie einer erinnerungswürdigen Nebenfigur auf. Die minimalistische Grundidee wird leider künstlich aufgeblasen. Einige abgedroschene Genreklischees sowie das fast schon King-typische vermurkste Finale verwässern den guten Gesamteindruck. Die Netflix-Produktion ist dennoch ansehbar geworden.

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