Wenn ein kleiner Inder in roten Windeln mit einem Tiger kämpft, zwei Schafzüchter sturer sind als ihre Böcke und ein Dackel zum Selbstmordattentäter mutiert, ist es Zeit für einen tierischen Threesome.

The Jungle Book (2016)

Nachdem jetzt auch Zeichentrick-Klassiker aus dem Hause Disney zu Live-Action-Adaptionen umgemodelt werden und so mutlosen Filmstudios aus der Patsche helfen, ist es 2016 an Regisseur Jon Favreau („Iron Man“, „Chef“) dem 67er Dschungelabenteuer mit Mowgli, Baloo, Bagheera und Co. Leben einzuhauchen. (Den 1994-Versuch, als Mowgli durch Jason Scott Lee (!) verkörpert wurde, übersehen wir jetzt mal grosszügig.) Klaro sind im Jahre 2016 die technischen Voraussetzungen für eine gelungene Real-Umsetzung des Dschungelbuchs gegeben, trotzdem ist es mehr als erstaunlich, was Favreau und Co. auf die Leinwand zaubern. Ausnahmslos alle Tiere und Habitate wurden an Hochleistungsrechnern kreiert, das Endergebnis setzt neue Massstäbe. Es wäre aber falsch, den Film nur auf die Computer-Arbeit zu reduzieren. „The Jungle Book“ erzählt eine durchaus packende Coming-Out-Of-Age-Geschichte. Neel Sethi, welcher sich den Anspruch auf die roten Windeln gegen 2000 andere Kinderdarsteller erkämpfte, interagierte den ganzen Dreh nur mit Handpuppen und blauen Morph-Suits, trotzdem schafft er es, Mowgli als kämpferischen, sturen und doch liebenswerten Jungen zu porträtieren. Die vermeintlichen Stars des Films sind aber die Viecher, synchronisiert von drei Oscar-Gewinnern  (Ben Kingsley, Lupita Nyong’o und Christopher Walken) und einem Oscar-Nominierten (Bill Murray). Egal ob Baloo, Bagheera oder King Louie, alle Tiere haben eine eigene Charakterzeichnung. Vor allem Shere Khan (Idris Elba) sticht aus dem  haarigen Ensemble heraus. Elba (und die Animation-Crew) stellt in Sachen Boshaftigkeit und Arglist sogar Scar aus „The Lion King“ in den Schatten. „The Jungle Book“ ist zwar ein Kinderfilm, doch auch als solcher einer der besten Filme des laufenden Kinojahres. 

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Rams (2015)

Im hintersten Winkel Islands hausen die beiden kauzigen, schweigsamen Brüder Gummi (Sigurður Sigurjónsson) und Kiddi (Theodór Júlíusson). Zwar teilen sie sich die Nachbarschaft, dennoch herrscht seit 40 Jahren Funkstille. Nachdem aber Bruder 1 der Nummer 2 auch noch den ersten Platz im lokalen Schafzucht-Wettbewerb wegschnappt, droht die Lage zu explodieren. Eine üble Seuche, die die Schafe zu dezimieren beginnt, zwingt die beiden sturen Köpfe, sich wohl oder übel aufzuraffen. „Rams“ ist ein schlichtes, dezent mit trockenem Humor gewürztes Drama aus dem hohen Norden. Die karge Landschaft Islands umrahmt die tragikomische Geschichte und lässt die Zuschauer für 90 Minuten in eine andere Welt abtauchen. Regisseur Grímur Hákonarson überzeugt mit einer stillen Bildsprache und die beiden Hauptdarsteller glänzen als stures Bruderpaar. Obwohl einzelne Szenen in Sachen Situationskomik und Skurrilität den Streifen gekonnt auflockern, ist „Rams“ ein rührendes Drama mit einem traurig schönen Abschluss. Zurecht hat der Streifen 2015 unter anderem in Cannes (Un Certain Regard Award) und am Zürich Filmfestival (Best International Feature Film) Preise abgeräumt.

Wiener-Dog (2016)

Todd Solondz kommt auf den Hund und beweist, dass er auch in seinem achten Streifen nichts vom kruden, introvertierten Humor eingebüsst hat. Vier Geschichten serviert uns der amerikanische Querulant mit „Wiener Dog“, lose zusammengehalten durch einen Dackel. Selbstverständlich drehen sich auch im neuen Solondz-Output die Geschichten um locker, flockige Themen wie Tod, Krebs, Abhängigkeit und Selbstzweifel. Greta Gerwig und Kieran Culkin suchen auf einem Roadtrip nach Glück, Familie und Drogen, ein Kind (Connor Long) erstickt nach einer Chemo-Therapie an der Liebe seiner bourgeoisen Eltern (Julie DelpyTracy Letts), ein gescheiterter Drehbuchautor (grandios: Danny DeVito) hofft vergebens auf seine letzte Hollywood-Chance und eine mürrische Grossmutter (Ellen Burstyn) kollabiert an ihrem eigenen Zynismus. Willkommen in der Welt von „Wiener-Dog“. Hier wird zwar definitiv nichts besser, aber das ist dank des durchgängig dunkelschwarzen Humors auch gut so. Ja, der Stil Solondzs‘ ist und bleibt einzigartig. Seine Werke sind Geschmackssache, ultra-pessimistisch, äusserst unbequem und setzen sich vehement zwischen Stuhl und Bank. Auch in „Wiener Dog“ wird politische Korrektheit auf die Strasse gehetzt, um sie dann gleich von mehreren Trucks platt zu walzen. Urkomisch, einzigartig und düster zugleich.

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